Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Keine arbeitgeberseitige Erklärung der Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Dauer der Elternzeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tarifnorm des § 26 Abs. 2c TVöD enthält oder ersetzt nicht die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG erforderliche Erklärung des Arbeitgebers, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Dem stehen die auch durch Tarifvertrag nicht abdingbaren Regelungen gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG entgegen.
2. Auch soweit der Urlaubsanspruch den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, enthält oder ersetzt § 26 Abs. 2c TVöD nicht die Kürzungserklärung des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG.
3. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
Normenkette
BEEG § 17 Abs. 1 S. 1; BUrlG §§ 1, 13 Abs. 1, §§ 3, 7 Abs. 3; TVöD § 26 Abs. 2c
Verfahrensgang
ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 18.08.2023; Aktenzeichen 4 Ca 22/23 Ã) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 18. August 2023 - 4 Ca 22/23 Ö - hinsichtlich eines Teils der Nebenforderung abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin Zinsen für die Zeit vor dem 17. August 2022 geltend macht.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für die Klägerin wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Urlaubsabgeltung. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien nebst Anträgen sowie der Würdigung, die jenes Vorbringen dort erfahren hat, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 18. August 2023 (Bl. 106 bis 110 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin könne Abgeltung von 155 Urlaubstagen aus den Jahren 2003 bis 2007 verlangen. Weil das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der letzten Elternzeit einvernehmlich geruht und danach durch Auflösungsvereinbarung geendet habe, seien die Voraussetzungen für eine Abgeltung gemäß § 17 Abs. 2 BEEG erfüllt. Der Anspruch sei auch nicht durch eine Kürzungserklärung der Beklagten untergegangen, denn eine solche Erklärung habe die Beklagte nur für das Jahr 2002, nicht jedoch für die Folgejahre abgegeben. Dass die Klägerin selbst davon ausgegangen sei, dass ihr in der Elternzeit kein Urlaubsanspruch zustehe, berühre den Anspruch nicht. In dem weiteren Verhalten der Beklagten liege keine konkludente Kürzungserklärung, denn die Klägerin habe den streitigen Anspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht geltend gemacht, so dass die Beklagte ihn auch nicht abgelehnt habe. Die Klägerin habe nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt. Sie sei nicht gehalten gewesen, die Beklagte vor Abschluss der Auflösungsvereinbarung auf das Bestehen des Anspruchs hinzuweisen. Der Anspruch sei nicht verjährt, weil er erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden und die Verjährungsfrist zu jenem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch nicht gemäß § 26 Abs. 2c TVöD vermindert worden, denn diese Tarifnorm könne die Kürzungserklärung des Arbeitgebers nicht ersetzen. Schließlich sei der Anspruch auch nicht verfallen, denn die Beklagte habe der Klägerin keinen entsprechenden Hinweis erteilt.
Gegen das ihr am 21. August 2023 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 18. September 2023 Berufung eingelegt und sie am 21. Oktober 2023 begründet.
Die Berufung führt aus: Mit der "Bestätigung der Elternzeit" vom 15. Juli 2004 (Bl. 68 d.A.) habe die Beklagte den verbleibenden Urlaubsanspruch mit fünf Tagen angegeben; aus dem Sinnzusammenhang ergebe sich, dass dies eine Kürzungserklärung iSv. § 17 Abs. 2 BEEG darstelle. So hätten es auch beide Parteien verstanden; noch im Jahre 2018 hätten sie nur über die fünf Urlaubstage aus dem Jahre 2002 verhandelt, nicht jedoch über weitere Urlaubsansprüche. Auch in dem Schreiben der Beklagten vom 16. November 2018 (Bl. 74 d.A.), mit dem sie erklärte, dass die fünf Tage Resturlaub aus dem Jahre 2002 verfallen seien, habe die Beklagte die Kürzung des Urlaubs erklärt, und so habe es die Klägerin auch verstanden. Diese handele rechtsmissbräuchlich, denn es sei immer nur über die genannten fünf Urlaubstage korrespondiert worden, nicht jedoch über den nunmehr streitigen Anspruch. Dieser sei jedenfalls seit dem 1. Januar 2012 verjährt. Weil das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Elternzeit durch den unbezahlten Sonderurlaub unterbrochen worden sei, habe keine Möglichkeit bestanden, den Urlaub zu nehmen. Folglich habe die Beklagte der Klägerin auch keinen entsprechenden Hinweis erteilen müssen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubsansprüc...