Entscheidungsstichwort (Thema)

Einmalzahlung nach Tarifvertrag. arbeitsvertragliche Bezugnahme. Erstreckung von arbeitsvertraglichen Verweisungsklauseln auf Nachfolgetarifverträge

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag „in Analogie zum BAT in der jeweiligen Fassung” ist als kleine dynamische Bezugnahmeklausel dahingehend auszulegen, dass sie sich nach der Interessenlage der Parteien, wie sie im Arbeitsvertrag und der bisherigen Handhabung des Arbeitsverhältnisses ihren Niederschlag gefunden hat, auch auf Nachfolgetarifverträge zur Einmalzahlung erstreckt, wenn die Bezugnahme Vergütungsbestandteile wie Arbeitsentgelt und die Vergütungshöhe umfasst.

 

Normenkette

TVÜ-VKA § 21; TV-L §§ 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Hameln (Urteil vom 13.10.2008; Aktenzeichen 3 Ca 119/08)

 

Tenor

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 13.10.2008 – 3 Ca 119/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine tarifliche Einmalzahlung für das Jahr 2007 vor dem Hintergrund der Frage, welche Tarifnormen ihr Arbeitsvertrag in Bezug nimmt.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2002 als Diplom-Sozialpädagoge mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28,88 Stunden beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2002, der auszugsweise lautet:

„6.

Vergütung

Die Vergütung erfolgt in Analogie zum BAT (BuL) in der jeweils gültigen Fassung. Der Mitarbeiter wird entsprechend der BAT-Gruppe IV b vergütet. (Siehe Anlage 1) Die Grundvergütung steigert sich erstmalig mit Beginn des Monats, in dem der Mitarbeiter ein mit ungerader Zahl bezeichnetes Lebensjahr vollendet, von diesem Zeitpunkt ab nach je zwei Jahren bis zum Höchstbetrag der Vergütungsgruppe.

6.1.

Der Mitarbeiter erhält eine Weihnachtsgratifikation maximal in der Höhe, die nach den Regelungen für Angestellte im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen möglich wäre. Die dort geltenden Rückzahlungsmodalitäten werden entsprechend angewandt.”

Diese Klauseln verwendete die Beklagte auch in zahlreichen weiteren Arbeitsverträgen. Die dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde liegende Frage wird daher von vielen anderen bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern verfolgt. Die Beklagte ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes. In der Vergangenheit zahlte sie dem Kläger stets Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT in der jeweils gültigen Fassung. Bis einschließlich zum Jahr 2006 zahlte sie die tariflichen Einmalzahlungen für den Bereich des Bundes vom 9. Februar 2005, ohne ausdrücklich auf den Tarifvertrag Bezug zu nehmen, und mit der Mitteilung an den Kläger, dass es sich hierbei um eine freiwillige Zahlung handele.

Im Jahre 2007 gewährte sie keine Einmalzahlungen. Sie berief sich darauf, die für die Zulagengewährung notwendige Fremdfinanzierung sei nicht gewährleistet

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne auch die für das Jahr 2007 tariflich vorgesehene Einmalzahlung verlangen. Dieses ergebe sich aus der Inbezugnahme des BAT im Arbeitsvertrag. Die tarifliche Einmalzahlung sei im Regelfall pauschaliertes Entgelt für prozentuale Tariflohnerhöhungen, die für einen Zeitraum vor Abschluss des Tarifvertrages geschuldet seien. Daher handele es sich insoweit auch um Gehalt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 300,00 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 150,00 EUR seit dem 01.05.2007 sowie auf weitere 150,00 EUR ab dem 01.08.2007.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sich an ein neues Tarifwerk nicht habe binden zu wollen. Aus der Formulierung im Arbeitsvertrag, wonach sich die Vergütung in Analogie zum BAT Bund/Land richte, könne der Kläger seinen Anspruch nicht herleiten. Zwar handele es sich hierbei um eine dynamische Verweisung. Mit Ablauf des 30. September 2005 sei der BAT jedoch abgelöst worden durch den TVöD, der für die Angestellten des Bundes und der Kommunen gelte. Für die Angestellten der Länder gelte jetzt der TV-L. Eine eindeutige Nachfolgeregelung, aus der der Kläger seine Ansprüche herleitet, liege nicht vor. Im Übrigen gehe die Bezugnahme im Arbeitsvertrag nicht soweit, dass auch auf alle den BAT ersetzenden Tarifverträge Bezug genommen werde.

Durch Urteil vom 12. Oktober 2008 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 300,00 EUR brutto verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus § 2 Abs. 1 b des Tarifvertrages über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 für den Bereich des Bundes iVm dem Arbeitsvertrag der Parteien. Ziffer 6 des Arbeitsvertrages enthalte eine dynamische Bezugnahme auf die Vergütungsregelungen des BAT. Hiervon seien auch die pauschalierten Tariflohnerhöhungen durch tarifliche Einmalzahlungen erfasst. Die Zahlung des laufenden Arbeitsentgeltes könne nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden.

Gegen dieses ...

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