Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgewähr von Arbeitsentgelt nach Insolvenzanfechtung. Unbegründete Zahlungsklage des Insolvenzverwalters bei zweckgebundener Überweisung der gesamten Lohnkosten auf das Konto der Ehefrau des Arbeitgebers und Zahlungsanweisung mit kurzem zeitlichen Vorlauf
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich kann die Inkongruenz dadurch begründet werden, dass die Befriedigung aus dem Vermögen eines Dritten erfolgt.
2. Die Anfechtbarkeit wegen einer nicht in der Art zu beanspruchenden Befriedigung ist jedoch ausgeschlossen, sofern die Abweichung nur geringfügig oder verkehrsüblich ist.
3. Die Prüfung ist insbesondere daran auszurichten, ob die tatsächliche Deckung im Hinblick auf die Gläubigerbefriedigung als gleichwertig mit der geschuldeten anzusehen ist.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 614 S. 2; InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 24.07.2012; Aktenzeichen 12 Ca 276/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24. Juli 2013 - 12 Ca 276/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückgewähr von Arbeitsentgelt nach insolvenzrechtlicher Anfechtung.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des Herrn X (im Folgenden: Arbeitgeber), dessen Arbeitnehmerin die Beklagte war. Dem Konto der Beklagten wurde deren Nettoentgelt für den Monat März 2008 am Ende jenes Monats gutgebracht. Am 27. Juni 2008 eröffnete das Amtsgericht A-Stadt das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers; dieser verstarb im Jahre 2010, woraufhin das Insolvenzverfahren in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 erklärte der Kläger die Anfechtung der Zahlung an die Beklagte; dieses Schreiben erreichte sie jedoch zumindest nicht mehr im Jahre 2011. Ein Mahnbescheid über die Forderung, den der Kläger Ende Dezember 2011 beantragt hat, ist der Beklagten am 23. Februar 2012 zugestellt worden.
Der Kläger hat vorgetragen, am 26. März 2008 seien vom Geschäftskonto des Arbeitgebers 100.000,00 Euro mit dem Verwendungszweck "Löhne" auf ein Konto seiner Ehefrau überwiesen worden; am Folgetage seien von diesem Konto die für den Monat März 2008 geschuldeten Arbeitsentgelte aller Arbeitnehmer, unter anderem der Beklagten, nebst Sozialversicherungsbeiträgen überwiesen worden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nach § 131 InsO zur Anfechtung berechtigt, denn bei der Entgeltzahlung handele es sich um eine inkongruente Deckung. Im Zeitpunkt der Zahlung sei der Arbeitgeber zahlungsunfähig gewesen, denn er habe die auf seine übrigen Verbindlichkeiten zu leistenden Zahlungen eingestellt und seine eigenen Forderungen an seine Ehefrau abgetreten. Ein Schiedsgutachten habe die Zahlungsunfähigkeit bestätigt. Die Inkongruenz der an die Beklagte geleisteten Zahlung ergebe sich daraus, dass diese nicht direkt, sondern über das Konto der Ehefrau des Arbeitgebers erfolgt sei. Auf hypothetische, nur gedachte Kausalverläufe wie eine direkte Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber an die Beklagte komme es im Rahmen der Insolvenzanfechtung nicht an. Ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO scheide bei inkongruenter Deckung aus. Der Mahnbescheid sei innerhalb der Verjährungsfrist beantragt und der Beklagten demnächst zugestellt worden. Die Forderung sei daher nicht verjährt; auf den Zugang einer gesonderten Anfechtungserklärung komme es nicht an.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.296,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Leistung bestritten und die Auffassung vertreten, es habe sich nicht um eine inkongruente Deckung gehandelt. Das Arbeitsentgelt für den Monat März 2008 sei ihr in korrekter Höhe und nicht verfrüht zugeflossen. Sollte die Zahlung durch die Ehefrau des Arbeitgebers erfolgt sein, was die Beklagte bestreite, habe sie dies jedenfalls nicht erkennen können. Die Anfechtung scheitere ferner bereits am rechtzeitigen Zugang einer Anfechtungserklärung; die fehlende Erklärung könne durch die aus Beklagtensicht unklaren und verspäteten Angaben im Mahnbescheid nicht ersetzt werden. Die Forderung sei daher verjährt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Anfechtungsrecht hätte innerhalb der Verjährungsfrist ausgeübt werden müssen; dies sei vorliegend nicht geschehen. Eine "Demnächst-Zustellung" der Anfechtungserklärung in Form des Mahnbescheides reiche nicht aus, weil es - anders als beim Mahnbescheid - der Mithilfe eines Gerichts für den Zugang der Anfechtungserklärung nicht bedürfe.
Gegen das ihm am 17. August 2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 6. September 2012 Berufung eingelegt und diese am 17. Oktob...