Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschreibungsfreie Versetzung im Rahmen eines Verlagerungskonzeptes. Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin bei unzureichenden Darlegungen des Betriebsrats zu gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgründen
Leitsatz (amtlich)
Wird im Rahmen eines Verlagerungskonzeptes eine Stelle verlagert und der bisherige Mitarbeiter hierauf versetzt, muss der Arbeitgeber den Arbeitsplatz nicht nach § 93 BetrVG ausschreiben.
Normenkette
BetrVG §§ 93, 99 Abs. 1, 2 Nrn. 1, 3, 5, § 100
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 06.04.2016; Aktenzeichen 1 BV 206/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.04.2016, Az.: 1 BV 206/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellungsmaßnahme.
Die Beteiligte zu 1. ist eine deutsche Gesellschaft des französischen A...-Konzerns und entwickelt und vertreibt weltweit Technologien zur CO2-armen Stromerzeugung. Sie beschäftigt weit mehr als zwanzig Arbeitnehmer an ihren Standorten in E..., O... und K....
Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit hat die Beteiligte zu 1. ein Konzept entwickelt zur Schließung ihres Betriebs in O... spätestens zum 30.06.2016. Nachdem die Interessenausgleichverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin gescheitert waren, hat die Geschäftsleitung am 15.10.2015 den Beschluss gefasst, das in ihrem Interessenausgleichentwurf enthaltene Konzept zur Verlagerung der am Standort O... angesiedelten Arbeitsplätze an die Standorte E... und K... umzusetzen.
Von der Umsetzung der Maßnahme ist auch der Mitarbeiter R..., der innerhalb der Organisationseinheit IBQ 4-G zu dem Standort E... zum 01.04.2016 wechseln soll.
Mit Schreiben vom 06.11.2015 beantragte die Beteiligte zu 1. die Zustimmung zur Einstellung dieses Mitarbeiters (bezüglich des Inhalts des Schreibens wird Bezug genommen auf Bl. 22 bis 29 d.A.). Mit Schreiben vom 13.11.2015 (Bl. 53, 54 d.A.) verweigerte der Beteiligte zu 2. seine Zustimmung mit folgender Begründung:
1. In der Gesamtbetriebsvereinbarung zur internen und externen Ausschreibung vom 15.08.2009 ist beschrieben, dass alle freien Positionen auszuschreiben sind. Eine solche Ausschreibung erfolgte nicht.
Aus diesem Grund verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
2. Durch die Einstellung von Herrn R... besteht die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass Frau Kr... gekündigt wird oder sonstige Nachteile erleidet, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.
Im Zuge des Interessenausgleichs SAP 2016 wurde im Rahmen des Personalanpassungskonzepts auch das Instrument "Qualifizierungsgremium", wie im Sozialplan vom 29.06.2012 in Punkt 4.3. beschrieben, ins Leben gerufen, um innerhalb der A... GmbH einen neuen Arbeitsplatz für Mitarbeiter in Unterauslastung zu finden. Identifizierte Mitarbeiter werden durch die Führungskraft ins Qualifizierungsgremium gemeldet. Das Qualifizierungsgremium soll sicherstellen, dass neu zu besetzende Stellen bevorzugt durch Mitarbeiter besetzt werden, deren Arbeitsplatz aufgrund von Unterauslastung bedroht ist.
Frau Kr... ist beschäftigt als Projekt-Qualitätsmanager in der IBQ 4-G. Da diese Position von Unterauslastung bedroht ist, wurde Frau Kr... in das Qualifizierungsgremium gemeldet. Nun soll Herr R... als Projektingenieur Qualitätlevel 2 in der IBQ 4-G eingestellt werden. Diese Tätigkeit kann aufgrund der beschriebenen und zugewiesenen Qualifikationen und Aufgabenbeschreibungen auch von Frau Kr... durchgeführt werden, gegebenenfalls nach kurzer Einarbeitungszeit. Bei Nichtberücksichtigung von Frau Kr... für die Stelle Projektingenieur Qualitätlevel 2 in der IBQ 4-G besteht durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass Frau Kr... gekündigt wird.
Aus diesem Grund verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG.
3. Durch die Einstellung von Herrn R... besteht die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass Herr S... gekündigt wird oder sonstige Nachteile erleidet, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.
(Die weitere Begründung im Zustimmungsverweigerungsschreiben gleicht der Begründung in Nr. 2 bei Frau Kr... (vgl. Bl. 54 d.A.)).
Der für den Streit zwischen den Beteiligten wesentliche Teil der Gesamtbetriebsvereinbarung über die interne und externe Ausschreibung lautet wie folgt:
2. Ausschreibungsgrundsatz
Grundsätzlich wird jede freie Stelle am Standort in das Bewerbersystem aufgenommen und damit im Intranet allen Mitarbeitern unternehmensweit zugänglich gemacht. ...
Eine freie Stelle im Sinn dieser Gesamtbetriebsvereinbarung entsteht durch die Genehmigung der Position zur Deckung von Ersatz- oder Zusatzbedarf durch die berechtigte Führungskraft. ...
Die Ausschreibung einer offenen Stelle erfolgt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Besetzung aufgrund einer Rechtspflicht vorgeschrie...