Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Klagezulassung. Berufung auf Verlust des Klageschriftsatzes bei der Postbeförderung. Zurechenbares Verschulden des Prozessbevollmächtigten. sonstiges
Leitsatz (amtlich)
Beruft sich eine Klagepartei auf den Verlust eines Schriftsatzes zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bei der Postbeförderung, so erfordert der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Darlegung, dass die Klageschrift bereits der Post übergeben worden sei; der Absendevorgang muss dabei lückenlos dargestellt werden.
Normenkette
KSchG § 5
Verfahrensgang
ArbG Weiden (Beschluss vom 13.11.2002; Aktenzeichen 5 Ca 1163/02 S) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden/Kammer Schwandorf vom 13.11.2002 in der Fassung des Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses vom 21.05.2003, Az: 5 Ca 1163/02 S, abgeändert.
2. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin war seit 01.04.1989 bei der Beklagten als Teamleiterin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt EUR 1.645,33 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 17,5 Stunden beschäftigt. Mit Schreiben vom 25.03.2002, der Klägerin zugegangen am 26.03.2002, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2002 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen an. Die Klägerin hat der angebotenen Änderung unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2002 – beim Arbeitsgericht Weiden am 03.07.2002 eingegangen – ließ die Klägerin durch die D… Kündigungsschutzklage erheben, verbunden mit dem Antrag, die Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen. Zur Begründung dieses Antrags trägt die Klägerin vor, die Klage sei am 11.04.2002 gefertigt und auf den Postweg gebracht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Beschluss vom 13.11.2002 mit der Begründung zugelassen, die Klagepartei sei trotz aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses im Einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen den am 04.12.2002 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.12.2002, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Beschwerde einlegen lassen. Wegen des Beschwerdevorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung sowie der Beschwerdeerwiderung Bezug genommen. Mit Beschluss vom 21.05.2003 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist auch begründet.
Auf Antrag ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). Zwar hat die Klägerin selbst durch Beauftragung dreier Rechtssekretäre der D… zur Klageeinreichung am 28.03.2002 alle ihr nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt angewandt. Indes ist eine Klage gegen die Kündigung vom 25.03.2002 erst am 03.07.2002 und damit außerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG beim zuständigen Arbeitsgericht eingegangen. Etwaiges Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten hierbei muss sich die Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Die Beschwerdekammer schließt sich dieser in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung an (LAG Nürnberg, Beschluss vom 12.03.2002, 5 Ta 177/01; zum Meinungsstand vgl.: KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG RdNr. 69 b ff; APS/Ascheid, § 5 KSchG RdNr. 27; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 27.07.2000, LAGE § 5 KSchG, Nr. 98).
Für die Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG spricht, dass § 4 Satz 1 KSchG eine prozessuale Klageerhebungsfrist enthält (BAG vom 26.06.1986, AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969). Wird die Prozesshandlung nicht von der Partei selbst, sondern von einem Bevollmächtigten vorgenommen, so wirkt sie für die Partei in gleicher Weise, als wäre sie von ihr selbst vorgenommen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO); damit muss sie sich aber auch das Verschulden des Bevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. LAG Nürnberg vom 28.07.1987, LAGE § 5 KSchG 1969 Nr. 30; LAG Köln vom 26.07.1994, LAGE § 5 KSchG Nr. 67). § 85 Abs. 2 ZPO gilt über § 46 Abs. 2 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Die Bestimmung ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes für Prozessvertretungen, der alle Handlungen und Unterlassungen umfasst, die sich auf den Rechtsstreit beziehen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 85 RdNr. 1). Eine Differenzierung danach, ob das Verschulden während oder bei der Einleitung des Verfahrens stattfand, enthält § 8...