Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges
Leitsatz (amtlich)
Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten bei der Versäumung der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG muss sich der Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Normenkette
KSchG §§ 4-5; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 19.09.2001; Aktenzeichen 15 Ca 7290/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 08.10.2001 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.09.2001, Aktenzeichen: 15 Ca 7290/01, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger war seit 01.03.1999 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 17.07.2001, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 14.08.2001 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen an, nämlich auf der Grundlage eines reduzierten Stundenlohnes. Der Kläger hat der angebotenen Änderung mit Schreiben vom 25.07.2001 unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei.
Mit Schriftsatz vom 15.08.2001 – beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen – ließ der Kläger durch die D. Kündigungsschutz klage erheben, verbunden mit dem Antrag, die Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Klage Zulassung mit Beschluss vom 19.09.2001 mit der Begründung abgewiesen, die Klagepartei sei trotz aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt nicht verhindert gewesen, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Der Klagepartei sei das Verschulden des Gewerkschaftssekretärs zuzurechnen. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses im Einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen den am 24.09.2001 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.10.2001, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Beschwerde einlegen lassen. Wegen des Beschwerdevorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung sowie der Berufungserwiderung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache bleibt das Rechtsmittel aber ohne Erfolg.
Auf Antrag ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). Zwar hat der Kläger selbst durch Beauftragung des zuständigen Gewerkschaftssekretärs zur Klageeinreichung alle ihm nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt angewandt. Indes hat sein Prozessbevollmächtigter erst außerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage gegen die Kündigung erhoben. Etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Die Beschwerdekammer schließt sich dieser in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung an (zum Meinungsstand vgl.: KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG RdNrn. 69 b ff; APS/Ascheid, § 5 KSchG RdNr. 27; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 27.07.2000, LAGE §,5 KSchG Nr. 98).
Für die Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG spricht, dass § 4 Satz 1 KSchG eine prozessuale Klageerhebungsfrist enthält (BAG vom 26.06.1986, AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969). Wird die Prozesshandlung nicht von der Partei selbst, sondern von einem Bevollmächtigten vorgenommen, so wirkt sie für die Partei in gleicher Weise, als wäre sie von ihr selbst vorgenommen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO); damit muss sie sich aber auch das Verschulden des Bevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. LAG Nürnberg vom 28.07.1987, § 5 KSchG 1969 Nr. 30; LAG Köln vom 26.07.1994, LAGE § 5 KSchG Nr. 67). § 85 Abs. 2 ZPO gilt über § 46 Abs. 2 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Die Bestimmung ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes für Prozessvertretungen, der alle Prozesshandlungen und -unterlassungen umfasst, die sich auf den Rechtsstreit beziehen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 85 RdNr. 1). Eine Differenzierung danach, ob das Verschulden während oder bei der Einleitung des Verfahrens stattfand, enthält § 85 Abs. 2 ZPO nicht (vgl. Grunsky, Anmerkung zu LAG Hamm, EzA § 5 KSchG Nr. 8).
Der Gewerkschaftssekretär der I. dem der Kläger am 19.07.2001 den Auftrag zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage wegen der ausgesprochenen Änderungskündigung erteilt hatte, hat die Klagefrist schuldhaft versäumt. Im Rahmen der von dem Gewerkschaftssekretär abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 10.08.2001 hat er darauf hingewiesen, dass er den Vorgang des Klägers auf Wiedervorlage für den 07.07.2001 (richtig wohl: 07.08.2001) gelegt, wegen dringender außerbetrieblicher Termine die Wiedervorlage aber nicht beachte...