Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Betriebsrat. Zustimmungsersetzung. andere Gründe. sonstiges
Leitsatz (amtlich)
Andere als die dem Betriebsrat im Verfahren nach § 103 Abs. 1 BetrVG genannte Gründe können im gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG für die beabsichtigte Kündigung nur berücksichtigt werden, wenn sie nachträglich bekannt geworden oder entstanden sind und zuvor der Betriebsrat vergeblich um Zustimmung ersucht wurde (im Anschluss an BAG vom 27.01.1977, AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG § 103 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Beschluss vom 11.10.2006; Aktenzeichen 6 BV 2/06 A) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg vom 11.10.2006 AZ. 6 BV 2/06 A abgeändert.
2. Der Antrag auf Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und Beteiligten zu 3.
Die Antragstellerin betreibt einen Paketumladebetrieb und beschäftigt ca. 90 Mitarbeiter. Es werden dort Paketsendungen angeliefert und zum Weitertransport in einzelne Beladebrücken sortiert. Beladebrücken sind Container, die auf Lkw-Anhängern aufsetzend befestigt werden. Die Paketsendungen werden im Betrieb der Antragstellerin umgeschlagen und von den Empfangsdepots abgeholt. Die Verladung findet ausschließlich nachts statt. Dieser Vorgang wird als Produktion bezeichnet. Die Produktion wird überwacht durch den Nachtdienstleiter. Mitarbeiter der Betriebsleitung sind während der Produktion nicht persönlich anwesend. Nachtdienstleiter sind derzeit die Herren C. und D.. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. ist der bei der Antragstellerin bestehende fünfköpfige Betriebsrat. Der seit 20.10.1983 bei der Antragstellerin beschäftigte, am 25.12.1964 geborene und vier Kindern zum Unterhalt verpflichtete Beteiligte zu 3. ist seit über 20 Jahren Betriebsratsmitglied und zum Zeitpunkt der Antragstellung stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Er ist als Hofmeister für alle Mitarbeiter der Produktion, die an den im Hof stehenden Beladebrücken arbeiten, verantwortlich und ihnen gegenüber weisungsbefugt. Seine örtlich begrenzte Verantwortlichkeit ist hierarchisch und funktionell unmittelbar der Nachtdienstleitung angegliedert. Über den Nachtdienstleitern sind in der Hierarchieebene der Antragstellerin lediglich der Geschäftsleiter und Prokurist, Herr E. und der Betriebsleiter, Herr F. sowie die Geschäftsführer angesiedelt.
Mit Schreiben vom 20.02.2006 (Bl. 19 ff. d.A.) beantragte die Antragstellerin und Beteiligte zu 1. beim Antragsgegner und Beteiligten zu 2. die Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3.
Als Gründe für die Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung des Beteiligten zu 3. führte die Antragstellerin in diesem Schreiben an, der Beteiligte zu 3. habe folgende schwerwiegende Vertragsverletzungen begangen:
- Verletzung seiner Pflichten als Hofmeister bei bekannt gewordenen Diebstählen und weiteren Straftaten
- Teilnahme/Anstiftung bzw. Nötigung von Mitarbeitern zu Falschanzeigen bzw. Erpressung
- Teilnahme/Anstiftung zu falschen Zeugenaussagen und Billigung und Verdeckung von ihm bekannt gewordenen Straftaten
Mit Schreiben vom 13.02.2006 teilte der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. der Beteiligten zu 1. mit, der Betriebsrat lehne die beantragte Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung ab, weil er die bis dato aufgestellten Behauptungen nicht als bewiesen ansehe.
Die Beteiligte zu 1. hat daraufhin beim Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Aschaffenburg – mit Schriftsatz vom 24.02.2006 – beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen – beantragt, die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu der außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu ersetzen.
Zur Begründung dieses Antrags hat die Beteiligte zu 1. ausgeführt, die vom Beteiligten zu 2. angegebene Begründung für die Zustimmungsverweigerung sei weder stichhaltig noch überzeugend. Unabhängig von der Erweislichkeit eines strafbaren Verhaltens reiche bereits der dringende Tatverdacht, um das Arbeitsverhältnis und dessen Vertrauensgrundlagen so zu belasten, dass eine weitere Beschäftigung und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar sei. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. dürfe seine Zustimmung nur verweigern, wenn er der Auffassung sei, dass ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB aus den vorliegenden Anhaltspunkten nicht gegeben sei. Dabei werde hier ganz offensichtlich verkannt, dass auch ein dringender Verdacht ohne Weiteres die Annahme eines wichtigen Grundes rechtfertige. Dieser Verdacht sei aufgrund mehrfacher Zeugenaussagen so dringlich, dass ein weiteres Zuwar...