Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Streitwerterhöhung durch zusätzliche Vergleichsregelung über eine Abfindung aus einem Sozialplan
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit hat einen "Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit" erarbeitet. Er hat zwar keine bindende Wirkung, gibt jedoch hinsichtlich bestimmter typischer Fallkonstellationen eine Orientierung, um Kostenrisiken für die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten zu reduzieren und die die Parteien treffende Kostenlast bereits im Vorfeld prognostizierbar zu machen.
2. Ein Vergleichsmehrwert ist nur festzusetzen, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Enthält der Vergleich auch eine Vereinbarung über die zu zahlende Abfindung aus dem Sozialplan, kann eine solche Vereinbarung nach Ziff. I Nr. 1 des Streitwertkatalogs zu einer Werterhöhung führen.
Normenkette
GKG §§ 42, 63; KSchG §§ 9-10; RVG § 2 Abs. 2 Anl. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 02.05.2023; Aktenzeichen 13 Ca 4022/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägervertreters wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.05.2023, Az. 13 Ca 4022/22, abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 12.300,- € festgesetzt. Der Wert für den Vergleich wird auf 28.300,- € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung zum 28.09.2022. Das monatliche Bruttoeinkommen hatte der Klägervertreter mit 4.100,- € angegeben.
Mit Beschluss vom 02.05.2023 wurde das Zustandekommen eines Vergleichs vom Gericht festgestellt. Der Vergleich lautet wie folgt:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 28.09.2022 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.01.2023 beendet wurde.
2. Im Wege des Tatsachenvergleichs sind sich die Parteien darüber einig, dass als Eintrittsdatum für das zum 31.01.2023 beendete Arbeitsverhältnis der 01.11.2010 gilt.
3. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und ergänzend zu den Ansprüchen aus dem Sozialplan zwischen der Beklagten und dem dortigen Betriebsrat vom 28.02.2022 erhält der Kläger eine zusätzliche Abfindung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern, d.h. in Höhe von € 7.112,54 brutto.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Erfüllung des vorstehenden Vergleichs sämtliche finanziellen Ansprüche gegeneinander aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung abgegolten und erledigt sind. Dies umfasst auch sämtliche Ansprüche des Klägers aus dem vorgenannten Sozialplan bei der Beklagten vom 28.02.2022 oder sonstigen, mit der Betriebsänderung bei der Beklagten zusammenhängenden Ansprüche.
5. Damit ist der Rechtstreit erledigt.
6. Die Kosten des Rechtstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Mit Beschluss vom 02.05.2023 wurde der Streitwert für das Verfahren auf 12.300,- € festgesetzt. Ein überschießender Vergleichswert wurde nicht festgesetzt.
Mit Schreiben vom 15.05.2023, beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen am selben Tag, legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Streitwertbeschwerde ein. Er ist der Ansicht, dass ein überschießender Vergleichswert anzusetzen sei, da die Parteien darüber gestritten hätten, ob die frühere Betriebszugehörigkeit des Klägers seit 01.01.2002 bei der Ermittlung der Abfindung zu berücksichtigen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Abfindungsdifferenz 16.000,00 € brutto entsprochen hätte. Im Ergebnis hätten sich die Parteien auf 7.112,54 € in Ziffer 3 des Vergleichs geeinigt. Zu der Streitwertbeschwerde erhielt die Gegenseite Gelegenheit zur Stellungnahme und teilte mit Schreiben vom 24.05.2023 mit, dass keine Einwände gegen die Ausführungen des Klägervertreters in seiner Streitwertbeschwerde bestünden.
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 25.05.2023 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Ein überschießender Vergleichswert sei auch nicht wegen des Streits um die Beschäftigungsdauer festzusetzen. Denn auch bei einer Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG sei als Bemessungskriterium die Beschäftigungsdauer genannt. Die Vereinbarung einer Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG erhöhe den Wert des Vergleichs jedoch nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Beklagtenvertreterin bestätigte mit Schriftsatz vom 12.06.2023 die Ausführungen des Klägervertreters in der Beschwerde. Die Parteien hätten sich außergerichtlich neben der Wirksamkeit der Kündigung auch über die Höhe der Sozialplanabfindung in Abhängigkeit von einer früheren Betriebszugehörigkeit auseinandergesetzt. Die Anrechnung diese...