Entscheidungsstichwort (Thema)

Tendenzbetrieb gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Wirtschaftsausschuß

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem karitativen Charakter eines Unternehmens steht nicht entgegen, daß die Tätigkeit sich als Vollzug sozialversicherungsrechtlich bestehender Rehabilitationsansprüche darstellt und darauf ausgerichtet ist, die Rehabilitanden nach Ablegung entsprechender Prüfungen wieder in das Berufsleben einzugliedern, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag lediglich eine möglichst kostendeckende Gestaltung der Tätigkeit angestrebt wird.

2. In solchen Unternehmen besteht daher kein Anspruch des

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 17.12.1985; Aktenzeichen 6 BV 57/85)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 17.12.1985 – Az.: 6 BV 57/85 – wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den von dem Antragsteller gebildeten Wirtschaftsausschuß gemäß § 106 BetrVG unterrichten zu müssen.

Der Antragsteller ist der im Berufsförderungswerk der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist nach § 4 des Gesellschaftsvertrages die Errichtung und der Betrieb eines gemeinnützigen Berufsförderungswerks mit den dazu erforderlichen Einrichtungen. Es dient der Durchführung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen und hat zum Ziel, Behinderte in Arbeit. Beruf und Gesellschaft wieder einzugliedern. Seit August 1977 werden etwa 500 Rehabilitanten in den Metallberufen, Elektrotechnik. Zahntechnik und kaufmännischen Berufen mit den entsprechenden Untergliederungen unterwiesen. Die Ausbildung dauert je nach Berufsbild und Ausbildungsgang zwischen 18 und 24 Monaten. Sie ist in einen praktischen und theoretischen Teil untergliedert. Die Rehabilitanten sind durchwegs Erwachsene, die aus gesundheitlichen Gründen den erlernten Beruf nicht mehr ausüben können. Ziel der Ausbildung sind die Abschlußprüfungen vor dem Prüfungsausschuß der Industrie- und Handelskammer oder der Handwerkskammer.

Zu dem Berufsförderungswerk gehören Lehrwerkstätten, Schulungsräume, ein Internat sowie sonstige Einrichtungen für medizinische, soziale und psychologische Betreuung. Von den rund 180 Mitarbeitern sind neben Vertragsangestellten und Ausbildern etwa 10 Psychologen und Sozialarbeiter beschäftigt und 10 Stellen für den ärztlichen Dienst eingerichtet.

Mit dem am 26.04.1985 beim Arbeitsgericht Nürnberg anhängig gemachten Beschlußverfahren hat der Antragsteller verlangt, den im Betrieb gebildeten Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten.

Er hat dazu vorgetragen, … die Antragsgegnerin verfolge keinen erzieherischen Zweck. Auch von einer karitativen Zwecksetzung könne nicht gesprochen werden, denn die Antragstellerin sei in erster Linie an sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen ausgerichtet. Das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht reiche dafür nicht aus. Aus der Zusammensetzung der Gesellschafter ergebe sich, daß die Träger der staatlichen Rentenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit tonangebend seien. Deshalb liege nichts anderes als der privatrechtliche Vollzug originärer Staatsaufgaben vor. Hätte die Bundesanstalt für Arbeit nicht auf die Antragsgegnerin zurückgreifen können, so hätte sie eigene Einrichtungen dieser Art. schaffen müssen; dies spreche gegen eine karitative Zielsetzung.

Der Antragsteller hat deshalb beantragt:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den im Unternehmen gebildeten Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlage zu unterrichten, soweit dadurch nicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat dazu vorgebracht, die berufliche Wiedereingliederung Behinderter in das Berufsleben sei eine Hilfeleistung an leidenden Menschen. Neben dem karitativen Zweck stehe auch ein erzieherischer Zweck. Sie übe keine staatliche Tätigkeit aus und sei von der Staatsverwaltung unabhängig. Aus der Zusammensetzung ihrer Gesellschafter ergeben sich keine sozialversicherungsrechtliche Zielsetzungen. Unzutreffend sei, daß sie von der Bundesanstalt für Arbeit abhängig sei. Allerdings könne die Bundesanstalt für Arbeit über das Landesarbeitsamt Nordbayern einen gewissen Einfluß auf die technische Ausgestaltung ausüben.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren im übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Durch Beschluß vom 26.11.1985 hat das Arbeitsgericht Nürnberg den Antrag abgewiesen.

In den Gründen dieser Entscheidung wird im wesentlichen ausgeführ...

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