Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr bei Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf nicht gerichtliche Ansprüche in einem Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Beantragt eine Partei die Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf nicht gerichtliche Ansprüche (Mehrvergleich) fällt dafür eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG (1,0) an.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 1000, 1003

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Aktenzeichen 3 Ca 951/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf -, Aktenzeichen: 3 Ca 951/18, wie folgt abgeändert:

Die dem Rechtsanwalt S... aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 1.360,77 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat mit Einreichung einer Kündigungsschutzklage am 17.08.2018 Prozesskostenhilfe beantragt. Diese wurde ihm nach Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Beschluss vom 31.08.2018 bewilligt. Anlässlich der Gütesitzung am 10.10.2018 hat der Klägervertreter beantragt, die Prozesskostenhilfe auf den Vergleich zu erstrecken. Mit Beschluss vom 10.01.2019 erstreckte das Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - die Prozesskostenhilfebewilligung auf den Vergleich. Mit weiterem Beschluss vom 10.01.2019 hat das Arbeitsgericht den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf 7.350,00 € und für den Vergleich auf 11.629,50 € festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 14.01.2019 beantragte der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt die Kostenerstattung innerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens. Hierbei beantragte er unter anderem aus einem Gegenstandswert von 7.350,00 € eine 1,0 Einigungsgebühr gemäß § 49 RVG i.V.m. Nrn. 1003, 1000 VV RVG sowie aus einem Gegenstandswert von 4.279,50 € eine 1,5 Einigungsgebühr nach § 49 RVG i.V.m. Nr. 1000 VV RVG unter Berücksichtigung der Obergrenze des § 15 Abs. 3 RVG aus einem Wert von 11.629,50 €.

Der zuständige Urkundsbeamte wies den Antrag teilweise ab und führte aus, dass die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003, Satz 2 VV RVG nur zu 1,0 aus einem Wert von 11.629,50 € gewährt werden könne. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass insoweit bereits die Einleitung eines Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens vorgelegen habe und das Gericht nicht nur als reine Beurkundungsstelle in Anspruch genommen worden sei, sondern im Rahmen einer mündlichen Verhandlung mit allen Regelungstatbeständen des Vergleiches befasst gewesen sei (unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg, Beschluss vom 25.06.2009, 4 Ta 61/09, zitiert nach juris). Mit Schriftsatz vom 18.01.2019 legte der antragstellende Rechtsanwalt Erinnerung gegen den Beschluss vom 16.01.2019 ein und begründet dies mit der neuen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 17.01.2018, Az. XII ZB 248/16). Mit Beschluss vom 07.02.2019 hat der zuständige Urkundsbeamte der Erinnerung des Klägervertreters gegen den Festsetzungsbeschluss nicht abgeholfen und sie dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat mit Beschluss vom 07.02.2019 der Erinnerung des Klägervertreters abgeholfen und die zu zahlende Vergütung aus der Staatskasse auf EUR 1.551,79 festgesetzt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die vom Urkundsbeamten herangezogene Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg aus dem Jahr 2009 nach Einschätzung des Erstgerichts inzwischen durch neuere Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs zur vorliegenden Thematik überholt sei. Die Regelung des VV Nr. 1003 RVG (Herabsetzung auf eine 1,0 Einigungsgebühr) greife im Ergebnis nicht ein, da die Rückausnahme für Verträge gemäß § 48 Abs. 3 RVG mit der Konsequenz einer Beibehaltung der 1,5fachen Einigungsgebühr nach den Vorgaben des BGH (a.a.O.) aus verfassungsrechtlichen Gründen auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden müsse. So hätte im Ergebnis auch das Landesarbeitsgericht Hamm vom 03.08.2018, 8 Ta 653/17, und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 16.04.2018, 17 Ta (Kost) 6133/17, entschieden.

Das Erstgericht hat im Hinblick auf die abweichende Entscheidungspraxis des übergeordneten Landesarbeitsgerichts Nürnberg die Beschwerde für die Staatskasse nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassen. Die Zustellung des Beschlusses an den Bezirksrevisor erfolgte am 11.02.2019. Dieser hat mit Schreiben vom 14.02.2019 für die Staatskasse Beschwerde eingelegt und beantragt, den Ausgangsbeschluss vom 16.01.2019 wiederherzustellen. Zur Begründung wurde Bezug genommen auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 02.11.2018, Az. 5 Ta 104/18, zitiert nach juris. Das Erstgericht hat der Beschwerde der Staatskasse mit Beschluss vom 01.03.2019 nicht abgeholfen und ausgeführt, dass nach Meinung des Erstgerichts auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG bei Mehrvergleichen die RVG-Vergütungsansprüche ebenso behandelt werden müssten wie im Anwendungsbereich des § 78 Abs. 3 RVG aus verfassungsrechtlichen Gründen. Der Bundesgerichtshof habe die aufgeworfenen Fragen im Sinne der Rechtsanwälte und Rechtsanwäl...

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