Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch. Betriebsänderungen
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung von Kündigungen besteht auch nicht zur Sicherung des Verhandlungs- und Beratungsanspruchs vor geplanten Betriebsänderungen. Es ist Sache des Gesetzgebers, einen derart weitreichend in die unternehmerische Freiheit eingreifenden Anspruch einzuführen. Auch Art. 8 der Richtlinie 2002/14/EG verlangt einen solchen Anspruch nicht.
Normenkette
BetrVG §§ 111, 113; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 30.01.2009; Aktenzeichen 8 BVGa 4/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.01.2009, Az. 8 BVGa 4/09, wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung über die Verpflichtung mehrerer, einen gemeinsamen Betrieb führender Arbeitgeber zur Unterlassung von Kündigungen bis zum Abschluss oder Scheitern eines Interessenausgleichs.
Antragsteller und Beteiligter zu 1.) ist der für den von den Beteiligten zu 2.) bis 4.) geführten Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat. In diesem Betrieb werden nach Angaben des Beteiligten zu 1.) etwa 130 bis 140 Arbeitnehmer beschäftigt, etwa 30 davon im sog. „Housekeeping”.
Mit Schreiben vom 13.08.2008 (Anlage 4 zur Antragsschrift, Bl. 22 f. d.A.) fragte der Wirtschaftsausschuss unter anderem zum Thema „Ausgliederung” nach einer Aufstellung der Arbeiten, die durch diese Fremdfirmen erledigt werden müssten. Die Beteiligte zu 2.) antwortete mit Schreiben vom 09.09.2008 (Anlage 3, ebenda, Bl. 20 ff. d.A.), dass „hinsichtlich der Ausgliederung der betroffenen Bereiche Hauskeeping und Haustechnik” „diverse Unternehmen zur Abgabe eines Angebots gebeten” worden seien. Es sei beabsichtigt, dass diese Firmen sämtliche Arbeiten erledigen sollten, die von Hauskeeping und Haustechnik übernommen bzw. erledigt würden. Mit Schreiben vom 24.09.2008 (Anlage 6, ebenda, Bl. 25 d.A.) teilten die Beteiligten zu 2.) bis 4.) mit, dass beabsichtigt sei, die Bereiche „Hauskeeping” und Haustechnik auszugliedern, dass endgültige und konkrete Umsetzungspläne aber noch festständen. Mit Schreiben vom 23.01.2009 hörte die Beteiligte zu 2.) den Antragsteller zu acht beabsichtigten Kündigungen an. Als Begründung gab sie unter anderem jeweils folgendes an (Anlage 2 zur Antragsschrift, Bl. 12 ff. d.A.):
„Wie Ihnen bekannt ist, haben wir beschlossen, das Personal im Bereich Housekeeping sukzessive abzubauen und die Durchführung dieser Arbeiten einer Fremdfirma zu übertragen.”
Der Wirtschaftsausschuss bat die Beteiligten zu 2.) bis 4.) daraufhin um weitere Auskünfte. Mit Schreiben vom 26.01.2009 verlangte der Antragsteller die Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und – unter Androhung einer einstweiligen Verfügung – die Unterlassung des Ausspruchs von Kündigungen bis zum ernsthaften Versuch der Durchführung eines Interessenausgleichs (Anlage 10 zur Antragsschrift, Bl. 32 f. d.A.).
Mit am 28.01.2009 eingegangenem Antrag vom 27.01.2009 hat der Antragsteller geltend gemacht, er sei bisher nicht über die Ausgliederung des Bereiches Housekeeping informiert worden; erst recht hätten keine Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleiches stattgefunden. Selbst dem Wirtschaftsausschuss seien sehr unvollständige Informationen gegeben worden. Der Bereich Housekeeping sei mit ca. 30 Mitarbeitern ein zentraler Bestandteil des Betriebes. Bei der beabsichtigten Maßnahme handele es sich um eine Betriebsänderung. Beim Housekeeping handele es sich um eine wesentliche Tätigkeit im Hotelbereich. Dazu seien mehr als 20% der Gesamtbelegschaft betroffen. Es sei unerheblich, dass bisher nur zum Ausspruch von acht Kündigungen angehört worden sei, da ausdrücklich ausgeführt sei, dass das gesamte Personal des Bereichs Housekeeping sukzessive abgebaut werden solle. Es liege somit eine Betriebsänderung sowohl nach § 111 S. 3 Nr. 1 als auch nach § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG vor. Da bisher keine Verhandlungen über den Interessenausgleich stattgefunden hätten, bestehe ein Anspruch, den Beteiligten zu 2.) bis 4.), den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen zu untersagen. Ein entsprechender Beschluss zur gerichtlichen Geltendmachung dieses Anspruches sei von ihm, dem Antragsteller, gefasst worden. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, er habe im Rahmen der Betriebsänderung nicht nur einen Verhandlungsanspruch, sondern auch einen Unterlassungsanspruch dahingehend, dass der Arbeitgeber die Durchführung der Betriebsänderung vorläufig insoweit unterlassen müsse, als der Verhandlungsanspruch nicht erfüllt sei. Dieser Unterlassungsanspruch sei nicht durch § 113 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen, weil diese Vorschrift nur eine individualrechtliche, keine Sanktion des kollektivrechtlichen Fehlverhaltens des Arbeitgebers enthalte. Der individualrechtliche Anspruch sei hierfür ungeeignet. Es hänge von den einzelnen Arbeitnehmern ab, ob sie ihre Rechte auf Zahlung eines Nachteilsa...