Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Bewilligung von Prozeßkostenhilfe – §§ 114, 117 Abs. 2, 3 ZPO. Feststellung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prozeßkostenhilfe kann rückwirkend und sogar noch nach Abschluß des Verfahrens bewilligt werden, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt worden ist.
2. Die Rückwirkung kann jedoch nicht weiter als bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, zu dem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen (§ 117 Abs. 2, 3 ZPO) von seiner Seite aus die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe geschaffen hat.
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 21.03.1988; Aktenzeichen 5 Ca 478/88) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin vom 27.04.1988 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.03.1988 (5 Ca 478/88) wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit Klage vom 21.01.1988 hat die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 13.01.1988 geltend gemacht. Im Gütetermin vom 03.03.1988 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Prozeßkostenhilfe beantragt und gleichzeitig erklärt, daß er die erforderlichen Unterlagen nachreichen werde. Der Rechtsstreit ist durch gerichtlichen Vergleich vom 03.03.1988 beigelegt worden. Mit Schriftsatz vom 16.03.1988 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vorgelegt.
Durch Beschluß vom 21.03.1988 hat das Arbeitsgericht Nürnberg der Klägerin Prozeßkostenhilfe ab 16.03.1988 bewilligt und Herrn Rechtsanwalt … zur Vertretung beigeordnet.
Gegen diesen Beschluß hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.04.1988, beim Arbeitsgericht Nürnberg am 28.04.1988 eingegangen, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß ihr Prozeßkostenhilfe ab 03.03.1988 bewilligt wird. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
Der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe steht grundsätzlich nicht entgegen, daß der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Bewilligung bereits abgeschlossen ist. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß die Prozeßkostenhilfe rückwirkend und sogar noch nach Abschluß des Verfahrens bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist. Die Rückwirkung kann jedoch nicht weiter als bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, indem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen (§ 117 Abs. 2, 3 ZPO) von seiner Seite aus die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe geschaffen hat (BGH vom 30.09.1981, AR-Blattei „Prozeßkostenhilfe, Entscheidung: 2”; LAG Nürnberg vom 06.04.1984, JurBüro 1984, 1579; vom 05.06.1985 – 3 Ta 6/85 –; vom 28.01.1982 – 5 Ta 30/81 –; vom 29.04.1988 – 7 Ta 34/88 –; LAG Düsseldorf vom 04.08.1986, JurBüro 1987, 921; LAG München vom 11.10.1983, JurBüro 1984, 774; OLG Düsseldorf vom 12.08.1986, JurBüro 1987, 130; Zöller-Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 119 Rz. 17, 19; § 117 Rz. 17, 21; Mümmler, JurBüro 1985, 161). Eine weitergehende Ausdehnung der Rückwirkung würde dem Antragsprinzip widersprechen, das dem Verfahren über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zugrunde liegt (BGH vom 30.09.1981, a.a.O.).
Vorliegend ist die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst mit Schriftsatz vom 16.03.1988 dem Gericht vorgelegt worden. Ein formgerechter Antrag unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen hat damit erst nach Beendigung des Verfahrens vorgelegen. Eine rückwirkende Bewilligung der Prozeßkostenhilfe scheidet demzufolge aus. Das Arbeitsgericht hätte daher den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückweisen müssen. Eine entsprechende Korrektur der arbeitsgerichtlichen Entscheidung durch das Beschwerdegericht verbietet sich jedoch aus dem Verbot der reformatio in peius (vgl. Zöller-Stephan, a.a.O. § 127 Rz. 19, 35).
Die Beschwerde der Klägerin war somit zurückzuweisen.
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlaß. Die Gerichtskosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin gemäß § 49 GKG ohne besonderen Ausspruch zu tragen; die Kosten des Gegners hat sie nicht zu erstatten (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Gegen diesen Beschluß findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).
Unterschriften
Dr. Feichtinger Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
Fundstellen