Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrigierende Eingriffe in Wahlverfahren. Zulassung eines Wahlvorschlages

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei minderschweren Mängeln, die zweifelsfrei vorliegen, kann korrigierend in das Betriebsratswahlverfahren, vor allem in fehlerhafte Maßnahmen des Wahlvorstands eingegriffen werden.

Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Wahlvorstand einen mit Heftklammern zusammengehefteten Wahlvorschlag mit der Begründung zurückweist, es liege keine einheitliche Urkunde vor. Der Wahlvorstand kann verpflichtet werden, den entsprechenden Wahlvorschlag zuzulassen. Eine Verweisung auf das Wahlanfechtungsverfahren kommt nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

ArbG Bamberg (Beschluss vom 07.03.1991; Aktenzeichen 2 BVGa 2/91)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Bamberg vom 07.03.1991 – 2 BVGa 2/91 – wird abgeändert.

2. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet für die am 27.03.1991 bevorstehende Betriebsratswahl die Wahlvorschlagsliste Gruppe Arbeiter beginnend mit den Namen B. Th. und H. A. anzunehmen.

 

Tatbestand

I.

Im Betrieb der Beschwerdeführerin finden vorgezogene Betriebsratswahlen statt. Die Stimmabgabe soll am 27.03.1991 erfolgen. Der Beschwerdegegner hat gegen die im Tenor genannte Wahlvorschlagsliste mit der Begründung ab 01.03.1991 zurückgewiesen, die Kandidatenvorschläge und die Unterzeichner des Wahlvorschlags würden keine einheitliche Urkunde bilden. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, die zwei DIN A 4 Blätter, aus denen die Wahlvorschlagsliste bestanden habe, seien mit einer Heftmaschine an den beiden Enden und in der Mitte verklammert worden. Sie hat hierfür die eidesstattlichen Versicherungen B. und G. vorgelegt und beim Arbeitsgericht beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung dem Beschwerdegegner aufzugeben, die entsprechende Liste anzunehmen, hilfsweise die vorgesehene Betriebsratswahl auszusetzen, bis über die Gültigkeit des Wahlvorschlags entschieden sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 07.03.1991 ohne mündliche Verhandlung den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung abgelehnt, weil in die Wahl nur bei Mängeln eingegriffen werden dürfe, die die Nichtigkeit zur Folge hätten, nicht aber die Anfechtbarkeit. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde.

Sie trägt vor,

daß Arbeitsgericht habe nicht zwischen Haupt- und Hilfsantrag unterschieden. Die Begründung des Beschlusses stelle erkennbar auf den Hilfsantrag ab. Eine sofortige Korrektur der Entscheidung des Beschwerdegegners könne sicherstellen, daß die Gesamtbelegschaft ordnungsgemäß wählen könne. Im übrigen sei jedenfalls zwischenzeitlich offenkundig, daß eine dem Gesetz entsprechende Wahl nicht mehr ablaufen könne. Das bewirke die Nichtigkeit der Wahl.

Die Beschwerdeführerin stellt folgende Anträge:

  1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Bamberg, Geschäftszeichen 2 BVGa 2/91, wird aufgehoben.
  2. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, für die am 27.03.1991 bevorstehende Betriebsratswahl die Wahlvorschlagsliste „B./H.:” anzunehmen.

Hilfsweise beantragt sie,

die Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO auszusetzen und dem Wahlvorstand aufzugeben, das Wahlverfahren erneut einzuleiten.

Im übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die Antragsschrift, sowie die in Kopie vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen und die ebenfalls in Kopie vorgelegte Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 07.03.1991 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach § 85 Abs. 2 ArbGG kommt auch im Beschlußverfahren der Erlaß einer einstweiligen Verfügung in Betracht. Gemäß § 937 Abs. 2 ZPO kann dabei in dringenden Fällen auch ohne Anhörung der Beteiligten entschieden werden. Diese Möglichkeit besteht auch im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht. Vor allem können rechtsfehlerhafte Maßnahmen des Wahlvorstands im Lauf des Wahlverfahrens im Wege der einstweiligen Verfügung angegriffen werden (vgl. Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, Kommentar zum BetrVG, 16. Aufl., § 18 Rdnr. 21). Die Entscheidung ist dringlich, weil bis zum vorgesehenen Wahltag mit mündlicher Anhörung nicht mehr im Beschwerdeverfahren entschieden werden könnte.

Wenn auch der Aufschub einer Wahl nur bei schwerwiegenden Mängeln in Frage kommt, bestehen andererseits keine Bedenken auch bei minderschweren Mängeln – sofern solche nur zweifelsfrei vorliegen – korrigierend einzugreifen (ebenso Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, a.a.O.; GK BetrVG – Kreutz, 4. Aufl., § 18 Anm. 76; Gnade-Kehrmann-Schneider-Blanke-Klebe, BetrVG, § 18 Anm. 3; LAG Bremen, Beschluß vom 27.02.1990 – 1 TaBV 3/90 – LAGE Nr. 3 zu § 18 BetrVG). Soweit das LAG München (Beschluß vom 14.04.1987 – 2 TaBV 14/87 LAGE § 18 BetrVG Nr. 2) Bedenken gegen diese Auffassung äußert, kann diesen nicht gefolgt werden. Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung des LAG Köln (Beschluß vom 05.07.1987 – 6 TaBV 28/87 – LS DB 87, 1996) befaßt sich – soweit aus der angegebenen Fundstelle erkennbar – mit der Frage der Wahlaussetzung, um die es hier gerade nicht geht. Jedenfalls bei kla...

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