Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Unterschiedliche arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines Rechtsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige. An die Stelle der das Arbeitsverhältnis prägenden persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ein Rechtsanwalt, der für eine Rechtsanwaltskanzlei Arbeitsleistungen erbringt, ist eine arbeitnehmerähnliche Person, wenn er nach der tatsächlichen Durchführung seiner Beschäftigung und seiner gesamten sozialen Stellung nach einem als Arbeitnehmer angestellten Rechtsanwalt vergleichbar schutzbedürftig ist.

2. Der Begriff des Arbeitnehmers i.S.d § 5 ArbGG und der des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 7 SGB IV sind nicht deckungsgleich, so dass es auf die sozialrechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses bei der Entscheidung über den Rechtsweg nicht ankommt.

 

Normenkette

ArbGG § 48 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 4 S. 3; ArbGG § 5 Abs. 1 S. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 3a; BGB § 705; BRAO § 59a Abs. 1; SGB IV § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 20.11.2020; Aktenzeichen 6 Ca 6744/18)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.11.2020, Az. 6 Ca 6744/18, aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.

3. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 9.581,76 festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen und in diesem Zusammenhang darüber, ob der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person iSd. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG anzusehen ist.

Der Kläger macht für das Jahr 2015 geltend, dass er gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 25 % der Rechtsanwaltsgebühren hat, die durch seine Bearbeitung eigener Mandate entstanden sind und er begehrt im Rahmen eines Stufenantrags Auskunft über den Gegenstandswert, über die in Ansatz gebrachten Gebühren, über die Vorschuss- und Abschlusskostennoten und über die Zahlungseingänge hinsichtlich der von ihm Jahr 2015 bearbeiteten Mandate sowie Zahlung nach Auskunftserteilung. Außerdem begehrt er die Erteilung eines Zeugnisses.

Der Kläger war in der Kanzlei der Beklagten vom 01.01.2013 bis 31.12.2015 als Rechtsanwalt in Teilzeit (Drei-Tage-Woche) tätig. Der Kläger hat die Rechtsanwaltsgebühren der von ihm selbständig bearbeiteten Mandate vollständig an die Beklagten abgetreten. Im Übrigen sind die vereinbarten finanziellen Bedingungen des Tätigwerdens des Klägers streitig.

Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Beklagten vom 13.12.2012 (Anlage K 4, Bl. 34-36 d.A.), er habe für die Bearbeitung von Mandaten der Beklagten ein monatliches Fixum iHv. 1.534,58 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer als Vergütung erhalten. Hinsichtlich der von ihm selbst akquirierten und selbstständig bearbeiten Mandate sei vereinbart worden, dass er einen Anspruch auf Zahlung von 25 % der dadurch entstandenen Rechtsanwaltsgebühren habe.

Die Beklagten behaupten, der Kläger habe keines der im Schreiben vom 13.12.2012 enthaltenen, auf die Vollzeitbeschäftigung entweder als Angestellter oder freier Mitarbeiter gerichteten Angebote angenommen, weil er mit Blick auf seine Doktorarbeit und seine in Mannheim wohnende Freundin nicht die ganze Woche in Nürnberg habe sein wollen. Der Kläger habe vielmehr erklärt, Rechnungen stellen zu wollen für seine Tätigkeit, soweit er Mandate der Beklagten bearbeite und eigene mit den Ressourcen der Kanzlei (Räume, Personal, Material, EDV, Strom, Heizung, Wasser etc.) erarbeitete Gebührenansprüche den Beklagten abtreten zu wollen. Der Kläger habe daher die bei der eigenständigen Bearbeitung eigener Mandate verdienten Gebühren den Beklagten abgetreten und den Beklagten den angenommenen Überschuss über die von ihm verbrauchten Kosten der Kanzlei monatlich in Rechnung gestellt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG eröffnet sei, weil er bei Entstehung der klageweise geltend gemachten Ansprüche arbeitnehmerähnliche Person gewesen sei. Er sei wirtschaftlich von den Beklagten abhängig gewesen, weil er im Jahr 2015 von den Beklagten lediglich das monatliche Fixum von 1.534,58 € ohne USt, mithin im Jahr 18.414,96 € bezogen habe. Daneben habe der Kläger im Kalenderjahr 2015 nur Einkünfte iHv. 7.962,35 € erzielt. Er sei überdies seiner gesamten sozialen Stellung nach einem angestellten Rechtsanwalt vergleichbar sozial schutzbedürftig gewesen. Er habe in einem voll ausgestatteten Büro der Beklagten gearbeitet, die ihm zugewiesenen Fälle sowie die eigenen Mandate persönlich bearbeitet und als Gegenleistung von den Beklagten nur das monatliche Fixum iHv. 1.534,58 € netto erhalten, aus dem er alle Steuer und Vorsorge- sowie berufsbedingten Aufwendungen (z.B. Berufshaftpflicht...

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