Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO. Vorgreiflichkeit des Verfahrens;. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aussetzung der Verhandlung des Verfahrens A gemäß § 148 ZPO ist nur bei sogenannter Vorgreiflichkeit des Verfahrens B zulässig.
2. Hinsichtlich der Beurteilung der Vorgreiflichkeit steht dem Gericht kein Ermessen zu.
3. Eine Vorgreiflichkeit liegt dann nicht vor, wenn es ex ante betrachtet möglich ist, dass in dem Verfahren B eine Entscheidung ergeht, die ihrerseits vom Ausgang des Verfahrens A abhängig ist.
4. Beantragt eine Partei erstinstanzlich mit Erfolg die Verhandlungsaussetzung und verteidigt sie im Beschwerdeverfahren die Aussetzungsentscheidung, ist sie Beschwerdegegnerin und hat im Unterliegensfall die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Normenkette
ZPO § 148
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 21.02.2001; Aktenzeichen 2 Ca 9363/00) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.02.2001 – 2 Ca 9363/00 – aufgehoben.
2. Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Verhandlung vom 08.02.2001 wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Beschwerdeinstanz zu tragen.
4. Für die Beschwerdeinstanz wird der Wert des Streitgegenstandes auf DM 8.400,– festgesetzt.
Gründe
I.
Zwischen den Parteien schweben vor derselben Kammer des Arbeitsgerichts Nürnberg zwei Verfahren. Auf das Arbeitsverhältnis ist unstreitig das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden.
Im Verfahren 2 Ca 7409/00 hat die Klägerin zwei Kündigungsschutzanträge (gegen die außerordentliche befristete Kündigung vom 28.09.2000 zum 30.04.2001 bzw. hilfsweise gegen die durch Umdeutung zu gewinnende ordentliche Kündigung vom 28.09.2000 zum 30.04.2001), einen Auflösungsantrag gemäß § 9 KSchG zum 30.04.2001 und einen allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO wegen Unzulässigkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2001 gestellt.
Im vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin mittels einer Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung vom 23.11.2000 zum 30.06.2001.
Mit Beschluss vom 21.02.2001 hat das Arbeitsgericht Nürnberg (auf Antrag der Beklagten.) die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 2 Ca 7409/00 ausgesetzt. Die dagegen an das Landesarbeitsgericht Nürnberg gerichtete Beschwerde der Klägerin vom 23.02.2001 wurde dem Arbeitsgericht Nürnberg mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 07.03.2001 zur Durchführung des Abhilfeverfahrens gemäß § 571 ZPO vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 18.04.2001 hat die Beklagte den erstinstanzlichen Aussetzungsbeschluss verteidigt. Mit Beschluss vom 24.04.2001 hat das Arbeitsgericht Nürnberg der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, das Verfahren 2 Ca 7409/00 sei vorgreiflich, da dem in diesem Verfahren gestellten allgemeinen Feststellungsantrag wegen der nachträglichen Erhebung einer gesonderten Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 23.11.2000 (also wegen des im vorliegenden Verfahren gestellten Antrags) das Feststellungsinteresse fehle. Im Übrigen wird auf den Inhalt dieses Beschlusses verwiesen (Bl. 51 d.A.).
II.
1. Der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 23.02.2001 eingelegte Rechtsbehelf der einfachen Beschwerde, über den der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts allein entscheiden kann, ist statthaft und zulässig, §§ 252, 567 ZPO, 78 Abs. 1 ArbGG.
2. Die Beschwerde hat auch Erfolg.
a) Gemäß § 148 ZPO darf das Gericht die Verfahrensaussetzung nur dann beschließen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Bei der Beurteilung des Vorliegens dieser Tatbestandsmerkmale hat das Gericht keinen Ermessensspielraum. Ein solcher besteht nur auf der Rechtsfolgenseite der Norm, das heißt ein Ermessen kann nur dann ausgeübt werden, wenn vorab auf der Rechtsvoraussetzungsseite der Norm alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 148 ZPO sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. § 148 ZPO verlangt eine sogenannte Vorgreiflichkeit des fortgeführten Verfahrens. Das bedeutet, dass die Entscheidung über das ausgesetzte Verfahren vom Ergebnis des fortgeführten Verfahrens abhängig sein muss. Dies kann nur dann bejaht werden, wenn das fortgeführte Verfahren ohne Rücksicht auf das ausgesetzte Verfahren entschieden werden kann. Bei dieser Betrachtung sind alle möglichen Ergebnisse der beiden Verfahren in die Prüfung mit einzubeziehen; es ist unzulässig, von mehreren möglichen Ergebnissen vorab nur ein Ergebnis zu betrachten und nur für diesen Fall eine Vorgreiflichkeit zu begründen.
Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht gegeben. Im Verfahren 2 Ca 7409/00 verfolgt die Klägerin vier Klageanträge, nämlich zwei Kündigungsschutzklagen (gegen die außerordentliche befristete Kündigung vom 28.09.2000 zum 30.04.2001 sowie vors...