Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen bürgerlich-rechtlicher und öffentlich-rechtlicher Streitigkeit. Zahlungsklage nach § 117 Abs. 1 Satz 1 EStG (Energiepreispauschale) als öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Zuständigkeit des Finanzgerichts für Streitigkeiten über die Energiepreispauschale
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird.
2. Beim Anspruch auf Auszahlung der Energiepreispauschale handelt es sich um einen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis. Denn der Arbeitnehmer beansprucht mit der Zahlung der Energiepreispauschale die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht, die der Gesetzgeber mit § 117 Abs. 1 Satz 1 EStG dem Arbeitgeber auferlegt hat. Der die Klage begründende Sachverhalt wird ausschließlich auf die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 117 Abs. 1 S. 1 EStG und die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm gestützt.
3. Der Finanzrechtsweg ist gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. Unter Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten zu verstehen, § 33 Abs. 2 FGO. Der Begriff ist weit zu verstehen und erfasst auch Fälle, in denen nicht eine (Finanz-)Behörde, sondern der Arbeitgeber als Zahlstelle der Behörde in Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften in Anspruch genommen wird, soweit der Rechtsstreit durch spezifisch steuerrechtliche Fragen bestimmt wird,
Normenkette
ArbGG § 2; FGO § 33; EStG §§ 112, 117, 120; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bayreuth (Entscheidung vom 04.07.2023; Aktenzeichen 1 Ca 385/23) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth - Kammer Hof - vom 04.07.2023 - Az.: 1 Ca 385/23 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der Energiepreispauschale nach § 117 Abs. 1 EStG.
Der Kläger war seit dem 01.08.2021 beim Beklagten als Paketzusteller mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.950,00 € brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers zum 30.09.2022.
Er erhob mit Klageschrift vom 23.01.2023 Klage auf Zahlung der Vergütung für September 2022 in Höhe von 1.950,00 € brutto und der Energiepreispauschale nach § 117 Abs. 1 EStG in Höhe von 300,00 € netto.
Mit Beschluss vom 19.06.2023 trennte das Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung der Energiepreispauschale vom Hauptsacheverfahren ab. Mit Beschluss vom 20.06.2023 wies das Arbeitsgericht auf die Problematik des Rechtsweges bei der Geltendmachung der Energiepreispauschale hin. Die Parteien äußerten sich nicht.
Mit Beschluss vom 04.07.2023 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht Nürnberg verwiesen.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 05.07.2023 zugestellt. Am 12.07.2023 legte der Kläger dagegen sofortige Beschwerde ein. Er machte geltend, er erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Sa. 1 EStG mit dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses am 01.09.2022 und der Einreihung in eine der Steuerklassen 1 bis 5. § 117 Abs. 1 S. 1 EStG bestimme, dass der Arbeitnehmer die Energiepreispauschale vom Arbeitgeber erhalte. Die Klage richte sich daher gegen den Arbeitgeber. Es liege eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor. Eine ausdrückliche Zuweisung des Finanzrechtsweges nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO fehle.
Mit Beschluss vom 18.07.2023 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor.
Der Kläger machte mit Schriftsatz vom 18.09.2023 geltend, es gehe nicht um den Charakter der Leistung als staatliche Leistung, sondern um die dem Arbeitgeber vom Gesetz auferlegte Zahlungsverpflichtung aus § 117 Abs. 1 S. 1 EStG.
Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf die Beschwerdeschrift und den weiteren Schriftsatz vom 18.09.2023 verwiesen.
II.
1. Die gegen den Verweisungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde ist statthaft, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht folgt in vollem Umfang den sorgfältig begründeten Ausführungen des Erstgerichts im Erst- und Nichtabhilfebeschluss. Von einer bloß wiederholenden Darstellung wird a...