Leitsatz (amtlich)

1. Legt der Vertreter einer Partei im Auftrag der Rechtsschutzversicherung Streitwertbeschwerde mit dem Ziel ein, eine niedrigere Festsetzung zu erreichen, ist dies dahin auszulegen, daß die Beschwerde namens der Partei eingelegt wird (gegen LAG Bremen, LÄGE § 10 BRAGO Nr. 3).

Das Rechtsschutzinteresse der Partei ergibt sich daraus, daß sie ihrer Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag genügt.

2. § 19 Abs. 3 Satz 1 GKG findet im Rahmen des § 19 Abs. 4 GKG für den Verfahrenswert keine Anwendung (wie BGH, MDR 88, 403), weil kein Redaktionsversehen, sondern ein gesetzgeberischer Mißgriff vorliegt.

3. Bei der Ermittlung des pfändbaren Betrags nach § 850 c ZPO ist, wenn ein Arbeitsverhältnis nur während eines Teils des üblichen Abrechnungszeitraums besteht bei Anwendung der Tabelle nicht der übliche Abrechnungszeitraum zugrunde zulegen. Es ist vielmehr der fiktive Zeitraumsverdienst zu ermitteln, der pfändbare Betrag abzulesen und anteilig der pfändungsfreie Betrag zu bestimmen (streitig).

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Beschluss vom 01.07.1994; Aktenzeichen 10 Ca 751/94 W)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Würzburg vom 01.07.1994 – 10 Ca 751/94 W – wird abgeändert.

II. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit von Rechtsanwalt E. wird auf DM 1.303,50, der Vergleichswert auf DM 2.337,15 festgesetzt.

III. Die weitergehende Beschwerde des Klägers gegen den genannten Beschluß wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Speditionsbetrieb, beschäftigt. Am 13.10.1993 war er als Kraftführer eingesetzt. Beim Rangieren fiel eine auf der Ladefläche abgestellte Waschmaschine um. Die Beklagte behielt vom Lohn des Klägers für Oktober 1993 deshalb als Schadensersatz einen Betrag von DM 1.303,50 ein. Der Kläger hat mit der Klage Bezahlung dieses Lohns zuzüglich Zinsen begehrt. Die Beklagte hat im Verfahren Klageabweisung beantragt und höchst vorsorglich widerklagend die Zahlung von DM 1.303,50 plus Zinsen verlangt.

Im Termin vom 06.06.1994 einigten sich die Parteien dahin, daß die Beklagte an den Kläger noch einen Restlohn in Höhe von DM 800,– netto zahlte.

Auf Antrag der Vertreter der Parteien hat das Arbeitsgericht mit Beschluß vom 06.06.1994 den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit der Parteien für Verfahren und Vergleich auf DM 2.607,– festgesetzt.

In einem am 28.06.1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 27.06.1994 hat der Vertreter des Klägers im Auftrag des Rechtsschutzversicherers des Klägers Beschwerde gegen den Streitwertbeschluß eingelegt und mitgeteilt, nach Auffassung des Rechtsschutzversicherers des Klägers betrage der Streit- und Vergleichswert nur DM 1.303,50 da Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen würden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 01.07.1994 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat im Anschluß an das Landesarbeitsgericht Bremen und das Landesarbeitsgericht Köln die Beschwerde als unzulässig angesehen, da sie allein im Interesse und Auftrag der Rechtsschutzversicherung eingelegt worden sei. Darüber hinaus hat es die Beschwerde als unbegründet angesehen, wenn sie als Beschwerde des Klägers oder des Klägervertreters selbst verstanden werden solle. Klage und Widerklage seien nämlich zusammenzurechnen. Etwas anderes gelte nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG nur, wenn Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen würden, was nicht der Fall sei.

Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Akten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Sachlich hat die Beschwerde überwiegend Erfolg.

Sie führt dazu, daß der Gegenstandswert für das Verfahren auf DM 1.303,50 und für den Vergleich auf DM 2.337,15 festzusetzen ist.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Die Auslegung der Beschwerde ergibt, daß die Beschwerde namens des Klägers eingelegt wurde.

Der Klägervertreter hat in der Beschwerdeschrift mitgeteilt, daß er im Auftrage des Rechtsschutzversicherers des Klägers die Beschwerde einlege. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß die Weisung, die Beschwerde einzulegen, vom Rechtsschutzversicherer kam. Dadurch daß im Auftrag des Rechtsschutzversicherers Beschwerde eingelegt wird, folgt noch nicht, daß es sich um eine Beschwerde des Rechtsschutzversicherers handelt. Es kann als sowohl bei der Rechtsschutzversicherung, wie auch beim Klägervertreter bekannt vorausgesetzt werden, daß die Rechtsschutzversicherung ihrerseits aus eigenem Recht natürlich kein Beschwerderecht gegen den Streitwertbeschluß hat. Sie ist nur wirtschaftlich betroffen. Wenn sie daher den Auftrag erteilt, es solle Beschwerde eingelegt werden, kann dies nur heißen, daß sie im Rahmen des Versicherungsverhältnisses vom Kläger verlangt, daß dieser seinerseits Beschwerde einlegt, Wenn daher der Klägervertreter im Auftrag der Rechtsschutzversicherung des Klägers Beschwerde einlegt, erfüllt er die von der Rechtsschutzversicherung an den Kläger über den Klägervertreter gerichtete Aufforderu...

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