Leitsatz (amtlich)

1. Beantragt ein in einem Bestands- bzw. Lohnstreit tätig gewordener Anwalt Festsetzung des Streitwerts bzw. des Gegenstandswerts, ist der Antrag als Festsetzungsantrag gemäß §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 GKG auszulegen.

2. Dies gilt auch, wenn der Anwalt vor Abschluß des Verfahrens das Mandat niedergelegt hat.

3. Wird neben einem Feststellungsantrag in einem Bestandsstreit ein Leistungsantrag auf Lohn, der sich ausschließlich auf einen Zeitraum nach dem Zeitpunkt des streitigen Endes des Arbeitsverhältnisses bezieht, gestellt, findet keine Streitwertaddition statt. Maßgeblich ist der Wert des höheren Klageantrags.

 

Normenkette

BRAGO §§ 9-10; GKG § 25; ArbGG § 12 Abs. 7 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Beschluss vom 22.03.1994; Aktenzeichen 6 Ca 2348/92 A)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des. Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Würzburg vom 22.03.1994 – 6 Ca 2348/92 A – dahingehend abgeändert, daß der Wert des Streitgegenstandes auf DM 75.900,– festgesetzt wird.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerde ist zulässig.

Das Erstgericht hat erkennbar den Streitwertbeschluß vom 22.03.1994 auf § 10 BRAGO gestützt; dies folgt aus der Formulierung des Tenors („Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 10 BRAGO”) und der Belehrung über den Rechtsbehelf der binnen zwei Wochen einzulegenden Beschwerde (§ 10 Abs. 3 BRAGO).

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die vom Erstgericht herangezogene Rechtsgrundlage unzutreffend. Der Weg nach § 10 BRAGO ist subisdiär und steht nur offen, wenn die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 BRAGO nicht gegeben sind (BAG, NZA 85, 369 mit weiteren Nachweisen; LAG Nürnberg, JurBüro 93, 173; LAG Nürnberg, Beschluß vom 22.06.1994, – 8 Ta 66/94 – n.v.; Göttlich-Mümmler, BRAGO, 17. Auflage, „Wertfestsetzung” 5.1; Hartmann, Kostengesetze, 26. Auflage, Anm. 3 zu § 10 BRAGO). Eine Wahlmöglichkeit zwischen den Festsetzungsverfahren nach § 9 BRAGO und § 10 BRAGO besteht nicht (Gerold-Schmidt-v. Eicken-Madert, BRAGO, 11. Auflage, Anm. 1 zu § 10).

Die Wertfestsetzung nach § 10 BRAGO setzt unter anderem voraus, daß sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten. Die Gebühren der Rechtsanwälte Dr. H. richten sich aber nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert; daran ändert die vorzeitige Mandatsniederlegung nichts (Gerold u. a., a.a.O., Anm. 2 zu § 10).

Ist aber § 10 BRAGO nicht einschlägig, ist der Antrag nach §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 1, 1 Abs. 3 GKG der nach Sachlage allein statthafte Antrag (BAG, NZA 85, 369). Stellt ein Anwalt einen Antrag auf „Festsetzung des Gegenstandswerts”, ist der Antrag dahin auszulegen, daß er den statthaften Antrag stellen will (vgl. BAG, a.a.O.).

Der Sache nach hat das Arbeitsgericht Würzburg demnach über einen Antrag gemäß §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 1 GKG entschieden. Die materielle Beschwerdebefugnis des Beklagtenvertreters folgt aus § 25 Abs. 2 GKG. Damit ist der an sich statthafte Rechtsbehelf die einfache Beschwerde. Daran ändert nichts, daß das Erstgericht seinem Beschluß eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung beigefügt hat. Nach der Meistbegünstigungstheorie darf dieser Fehler nicht zu Lasten der Betroffenen gehen (Thomas-Putzo, ZPO – Komm., 18. Auflage, Vorbem. II 2 vor § 511). Dies bedeutet, daß der Kläger sowohl eine einfache Beschwerde gemäß § 25 Abs. 3 GKG als auch eine befristete Beschwerde gemäß § 10 Abs. 3 BRAGO einlegen konnte.

Die vom Kläger eingelegte Beschwerde ist als Beschwerde gemäß § 25 Abs. 3 GKG zu werten. Da das Hauptsacheverfahren noch nicht abgeschlossen ist, hat die Beschwerdefrist des § 25 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GKG noch nicht zu laufen begonnen. Damit ist die mit Schriftsätzen vom 15.07.1994 und 29.08.1994 gegen den Beschluß vom 22.03.1994 (mit versehentlich falschem Datum 22.03.1993) eingelegte Beschwerde rechtzeitig erfolgt.

Da für den Kläger auch die von § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG geforderte Beschwer von mehr als DM 100,– vorliegt, ist die Beschwerde zulässig.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Für Bestandsstreitigkeiten schreibt § 12 Abs. 7 Satz 1 1. Halbsatz ArbGG vor, daß höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu zahlenden Entgelts in Betracht kommt. Wie der Rahmen des § 12 Abs. 7 Satz 1, 1. Halbsatz ArbGG auszufüllen ist, ist im einzelnen umstritten. Da das Gesetz einen Rahmen zur Verfügung stellt, liegt es letztlich im Ermessen des Gerichts, wie es diesen Rahmen ausfüllt.

Nach herrschender Meinung ist in den Fällen, in denen hinsichtlich der Festsetzung des Gegenstandswerts ein Ermessen besteht, zu berücksichtigen, daß das Erstgericht ein eigenes Ermessen hat, das vom Landesarbeitsgericht nur auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessens zu überprüfen ist. Mit dieser Auffassung befindet sich die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Beschluß vom 02.04.1987 – 6 ABR 29/85 – DB 88, 1871, I...

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