Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerähnlichkeit. Rechtswegverweisung. Franchisevertrag: Schlüsseldienst im Kaufmarkt. Streitwert des Beschwerdeverfahrens bei Rechtswegstreit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übernahme einer Service-Station für Schuhmacher- und Schlüsseldienstleistungen im Lebensmittelmarkt kann selbst dann als „arbeitnehmerähnlich” im Sinne des. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG anzusehen sein, wenn der Betreiber die Preise seiner Dienstleistungen und Verkaufsprodukte selbst bestimmen kann.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens im Rechtswegstreit ist mit einem Bruchteil des Hauptsachestreitwerts – hier: 1/3 – anzusetzen.
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 1; GKG § 25; ZPO § 3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 14.03.2002; Aktenzeichen 11 Ca 10517/01) |
Tenor
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 14.03.2002 – Az. 11 Ca 10517/01 – wird abgeändert.
2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für gegeben erklärt.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 2.045,17 festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Rückzahlung einer Einlage. Kläger und Beklagte unterzeichneten am 27.02.1998 eine als „Geschäftsbesorgungsvertrag” bezeichnete Vereinbarung, aufgrund derer der Kläger für die Beklagte die Führung einer sogenannten „Service-Station” übernahm. In solchen „Service-Stationen” werden insbesondere Reparaturen von Schuhen sowie Schlüsseldienste, Fertigung von Stempeln und Gravuren angeboten. Hierfür mietet die Beklagte in Kaufmärkten und Kaufhäusern entsprechende Flächen an. Diese werden vertraglich an „Betreiber” in Form eines Franchise-Vertrages weitergegeben. Gemäß dem vom Kläger unterzeichneten Vertrag sollte dieser als selbständiger Gewerbetreibender tätig werden, und zwar zunächst als „Springer” in verschiedenen Filialen. Spätestens ab September 1999 war er nur noch in der Marktkauf-Filiale in X. eingesetzt. Der Kläger war nach dem Vertrag, der eine Laufzeit von mindestens 72 Monaten besaß, verpflichtet, eine Einlage von 35.000,– DM zu leisten, und zwar in Monatsraten zu je 1.000,– DM. Als Entgelt sollte die Beklagte 39% des erzielten Netto-Umsatzes, jedoch ein verbindlich festgelegtes Mindestentgelt erhalten. Des genauen Wortlautes des Geschäftsbesorgungsvertrages und seiner Anlagen wegen wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift vorgelegten Ablichtungen Bezug genommen (Bl. 5 ff. d.A.). Der Kläger leistete eine Einlage von jedenfalls 3.000,– DM im Jahr 1998 – nach seinen Angaben 4.000,– DM – an die Beklagte, in den Jahren 1999 und 2000 von jeweils 4.000,– DM. Er kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 12.04.2001 fristlos. Die Beklagte weigert sich, die erhaltene Einlage zurückzuzahlen.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Rückzahlung der Einlage verpflichtet. Im übrigen sei er als Arbeitnehmer anzusehen, mindestens als arbeitnehmerähnliche Person. In Wirklichkeit sei er nicht selbständig gewesen. Dem stehe bereits entgegen, dass er nach dem Vertrag verpflichtet gewesen sei, die vereinbarten Arbeitszeiten von Montag bis Freitag 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr und Samstag 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr einzuhalten. Einsatzort, Einsatzzeit sowie Art und Weise der Arbeitsausführung seien damit durch die Beklagte bestimmt gewesen. Er sei damit weisungsabhängig gewesen. Arbeitsgeräte und Räumlichkeiten seien durch die Beklagte zur Verfügung gestellt worden. Er habe keinerlei unternehmerische Freiheit besessen. Er habe seine Einnahmen täglich im Markt abgeben müssen, habe durch eine von der Beklagten beauftragten Dienstleistungsgesellschaft seine Abrechnung erhalten; die nach dem Vertrag der Beklagten zustehenden Beträge seien ihm gar nicht zugeflossen. Es handele sich um einen Knebelvertrag, der ihm die Existenzgrundlage entzogen habe. Er habe zuletzt mehr Schulden gemacht als Einnahmen erzielen können. Der Vertrag sei nach § 134 und § 138 BGB nichtig und sittenwidrig. Wenn er schon keine Arbeitnehmereigenschaft besessen habe, dann sei er zumindest als einem Arbeitnehmer vergleichbar und wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen, so dass die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen eröffnet sei.
Die Beklagte meint, der Kläger sei gemäß dem Geschäftsbesorgungsvertrag als Selbständiger zu betrachten; er sei auch nicht arbeitnehmerähnlich. Die Arbeitsgerichte seien zur Entscheidung über den Rechtsstreit nicht zuständig. Im übrigen fehle auch die örtliche Zuständigkeit, weil sie in X. keine Niederlassung betrieben habe.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten der Arbeitssachen durch am 14.03.2002 verkündeten Beschluss verneint und den Rechtsstreit an das Landgericht München verwiesen (Einzelheiten vgl. Bl. 90 f. d.A.). Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, gegen die Arbeitnehmerstellung des Klägers spreche, dass sich dieser seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt selbständig...