Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligungskostenhilfe. Erfolgsaussicht. Klageerhebung. Bedingung. Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Antragsteller Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die Kündigungsschutzklage mit dem Zusatz, die hinreichende Erfolgsaussicht „der beabsichtigten Klage” ergebe sich „aus dem in der Anlage beigefügten Klageentwurf”, dann ist die Gewährung der Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsausicht (Wirksamkeitsfiktion der Kündigung nach § 7 KSchG wegen Fehlens einer rechtzeitigen Klage) ausgeschlossen, wenn diesem Antrag ein mit „Klage” überschriebener, im original unterzeichneter, nicht angehefteter Schriftsatz beigefügt ist, in dem um die Bestimmung eines Termins gebeten wird.
2. Die Prüfung, ob dieser Klageschriftsatz trotz vollständiger Erfüllung der formalen Anforderungen dennoch nicht als unbedingte Klageeinreichung auszulegen ist – was nur bei einer „mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit” des Begehrens angenommen werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH vom 18.07.2007, XII ZB 31/07) –, ist bei dieser Konstellation zumindest so komplex, dass Erfolgsaussicht unter Berücksichtigung der hierfür anzuwenden Maßstäbe (vgl. z.B. BVerfG vom 28.11.2007, 1 BvR 69/07) nicht verneint werden kann.
Normenkette
ZPO §§ 114, 128, 253
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Beschluss vom 29.08.2008; Aktenzeichen 4 Ha 3/08 C) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 29.08.2008, Az. 4 Ha 3/08 C, aufgehoben.
2. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe gewährt ab 09.08.2008 und Rechtsanwalt C. als Vertreter beigeordnet.
3. Die zu zahlenden Monatsraten werden auf EUR 30,– festgesetzt.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde ist auch begründet. Mit fehlender Erfolgsaussicht kann die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Anwaltsbeiordnung nicht versagt werden. Es spricht vieles dafür, dass die Schriftsätze der Klägerin trotz des missverständlichen Wortlautes im Prozesskostenhilfegesuch dahingehend zu verstehen sind, dass die Klägerin neben dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung am 01.02.2008 bereits eine unbedingte Klage anhängig gemacht hat.
1. Dies ergibt sich aus der Auslegung der am 01.02.2008 eingereichten Schriftsätze. Die Klägerin hat neben dem Prozesskostenhilfeantrag einen weiteren Schriftsatz eingereicht, der als „Klage” bezeichnet ist, in dem aufgeführt ist „… erheben wir Klage und bitten um Anberaumung eines Termins” und der ebenfalls unterzeichnet ist. Hätten die Vertreter der Klägerin nur diesen Schriftsatz eingereicht, wäre an seiner Qualifizierung als unbedingte Klageeinreichung in keiner Weise zu zweifeln.
2. Es spricht vieles dafür, dass die Umstände – die Klägerinvertreter haben diesen Klageschriftsatz in ihrem am selben Tag eingegangenen Prozesskostenhilfegesuch als „beabsichtigte Klage”, deren Erfolgsaussicht sich „aus dem in der Anlage beigefügten Klageentwurf” ergebe, bezeichnet – nicht mit hinreichender Eindeutigkeit erkennen lassen, dass der als „Klage” bezeichnete vollständige Schriftsatz entgegen seinem Wortlaut doch nicht als Klage zu betrachten sei. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein vollständiger, den inhaltlichen Anforderungen einer Prozesshandlung entsprechender Schriftsatz nur dann nicht als Klage oder Berufung anzusehen, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer „jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit” ergibt (vgl. etwa BGH vom 16.12.1987, IVb ZB 1616/87; BGH vom 10.01.1990, XII ZB 134/89; BGH vom 22.01.2002, VI ZB 51/01; BGH vom 07.11.2006, VI ZB 70/05; BGH vom 18.07.2007, XII ZB 31/07; BGH vom 25.09.2007, XI ZB 6/07). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen oder einer aufgeschobenen Klageerhebung ist die Notwendigkeit gegeben, dass zweifelsfrei ausgeschlossen sein muss, dass es sich nicht doch um eine unbedingte Klageerhebung handeln soll (BGH vom 21.12.2005, XII ZB 33/05).
3. Zwar hat der BGH im Urteil vom 16.12.1960 (a.a.O.) ausgeführt, ein Schriftsatz, der allen Anforderungen einer Berufung genüge und auch mit „Berufung” überschrieben sei, habe diesen Charakter dann nicht, wenn er gleichzeitig mit einem Gesuch nach Bewilligung des Armenrechts eingereicht werde, in dem ausgeführt sei, die Partei werde „nach Bewilligung des Armenrechts” Berufung einlegen, und in dem zur Begründung des Armenrechtsgesuchs auf den anliegenden „Entwurf” der Berufungsbegründung Bezug genommen werde. Die vorliegende Konstellation weicht hiervon jedoch ab. Es fehlt der Hinweis, dass die Klage erst „nach Bewilligung” eingereicht werden solle. In derartigen Konstellationen hat der Bundesgerichtshof, dem sich das Landesarbeitsgericht anschließt, jeweils keine „jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Deutlichkeit” dafür, dass die vollständige Prozesshandlung unter der Bedingung der ...