Entscheidungsstichwort (Thema)
Vornahme einer Handlung
Leitsatz (amtlich)
1. Besteht eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG möglicherweise darin, daß ein Arbeitgeber mit den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern einen ursprünglich gemeinsam mit einem anderen Arbeitgeber geführten Betrieb verläßt, so sind beide Arbeitgeber gemeinsam zu Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan verpflichtet.
2. Im Verfahren nach § 98 ArbGG ist von den Arbeitsgerichten lediglich über die Person des Vorsitzenden und gegebenenfalls die Zahl der Beisitzer zu entscheiden; es ist hierbei nicht zu klären, welcher der den Betrieb führenden Arbeitgeber die Beisitzer in die Einigungsstelle entsenden soll bzw. zwischen welchen Beteiligten die Einigungsstelle gebildet werden soll. Ist der Antragsteller offensichtlich unzuständig, so ist der Antrag zurückzuweisen. Hat einer der Arbeitgeber offenbar nichts mit dem Mitbestimmungstatbestand zu tun, so ist er als „Beteiligter” im Sinne des § 83 BetrVG auszuscheiden. Ansonsten sind am Verfahren alle diejenigen zu beteiligen, die in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung materiell betroffen sein können.
3. Es bleibt den beteiligten Arbeitgebern – und gegebenenfalls einem eigenen Verfahren zwischen ihnen – überlassen und ist nicht im Verfahren nach § 98 ArbGG zu klären, welcher Arbeitgeber (wie viele) Beisitzer in die Einigungsstelle entsendet, Interessenausgleichsverhandlungen führt und die Sozialplanansprüche zu erfüllen hat.
Normenkette
ArbGG §§ 98, 83; BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 23.11.1994; Aktenzeichen 1 BV 99/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.11.1994 – Az.: 1 BV 99/94 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Vorsitzende Dr. F. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung der im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der zur Beteiligten zu 3) gehörenden Arbeitnehmer aus dem ursprünglich gemeinsam mit der Beteiligten zu 2) geführten Betrieb entstehenden Nachteile bestellt wird.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden sowie über die Zahl der benötigten Einigungsstellenbeisitzer.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der im gemeinsam geführten Betrieb zwischen der Beteiligten zu 2) und weiteren Unternehmen für den Betriebsbereich F. gebildete Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2) – vom Arbeitsgericht bezeichnet als „Antragsgegnerin zu 1)” – führte ursprünglich den Betriebsbereich F. gemeinsam mit einigen anderen Firmen als gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen. Mit Wirkung zum 01.04.1994 wurde das Unternehmen neu strukturiert. Die Firma G. AG – die Beteiligte zu 2) – wurde unter Einbeziehung der Firmen G., G. und G. aufgespalten, und zwar in die G. AG einerseits und zwölf selbständige Gesellschaften mit beschränkter Haftung andererseits. Zu diesen zählt auch die ursprüngliche Antragsgegnerin zu 2) – vor dem Berufungsgericht geführt unter „Beteiligte zu 3)” Alleingesellschafter sämtlicher GmbHs blieb die G. AG. Auf die Beteiligte zu 3) gingen zum 01.04.1994 nach § 613 a BGB die Beschäftigungsverhältnisse von 23 Arbeitnehmern über; die Zahl der Mitarbeiter aller Konzerngesellschaften am Standort F. beläuft sich auf über 3.000 Arbeitnehmer.
Die G. AG schloß mit sämtlichen GmbHs einen sogenannten „Betriebsführungs-Vertrag”, dessen genauen Wortlauts wegen auf die mit der Antragsschrift vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird (Bl. 9 ff d.A.). Darin ist, soweit vorliegend von Interesse, unter anderem geregelt: „§ 1 Allgemeine Betriebsleitung
Die Vertragspartner vereinbaren hiermit, daß die unternehmerische Gesamtleitung der Gesellschaften durch die für die jeweiligen Geschäftsbereiche zuständigen Vorstandsmitglieder und leitenden Mitarbeiter der G. wahrgenommen wird. Die für die Geschäftspolitik der Gesellschafter wesentlichen Entscheidungen sind dabei mit den Geschäftsführungen der Gesellschaften abzustimmen.
§ 2 Durchführung der Entscheidungen
Die Durchführung der getroffenen Entscheidungen erfolgt durch die Geschäftsführungen der Gesellschaften oder durch die von den Gesellschaften bevollmächtigten Personen.
§ 3 Mitbenutzung einzelner Einrichtungen
Die Vertragspartner vereinbaren ferner, daß die Gesellschaften die technischen und personellen Einrichtungen der G. benutzen können. Die näheren Bestimmungen werden zwischen den Vertragspartnern gesondert getroffen.
§ 5 Vertragsdauer, Kündigung
Dieser Vertrag tritt am 01. April 1994 in Kraft. Der Vertrag kann unter Einhaltung einer Frist von mindestens drei Monaten zum Ende eines Monats schriftlich gekündigt werden.
Die Kündigung aus wichtigem Grund ist ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zulässig.
Ein wichtiger Grund liegt u. a. vor, wenn
- in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaften eine wesentliche Verschlechterung eintritt, die weder von der G. abgewendet werden kann noch von der G. zu vertreten ist;
- die G. die Gesellschaftsanteile an eine oder mehrere Gesellschaften ver...