Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert für eine Leistungsklage „Brutto abzüglich Netto”. Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der Bruttobetrag abzüglich der geleisteten Nettozahlung eingeklagt, so bestimmt sich der Streitgegenstand aus dem um den Nettobetrag reduzierten Bruttolohn. Das Gericht ist nicht befugt, von sich eine nach dem Bruttolohn bezifferte Zahlungsklage um die geschätzten Beträge für Lohnsteuer und Sozialabgaben herunterzurechnen.

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 06.07.1988; Aktenzeichen 6 Ca 851/88)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte Dr. Dr. Dieter Walther und Kollegen. Albrecht-Dürer-Straße 25 in Nürnberg vom 27.07.1988 wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.07.1988 – Az.: 6 Ca 851/88 – abgeändert und der Gegenstandswert für die anwaltschaftliche Tätigkeit auf 13.686,43 DM festgesetzt.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat durch Beschluß vom 06.07.1988 den Wert des Streitgegenstandes auf 12.684,13 DM festgesetzt und diesen Betrag in einem ergänzenden Beschluß vom 09.09.1988 wie folgt aufgeschlüsselt:

Gegenstandswert für die ordentliche Kündigung vom 08.02.1988 (Klageantrag Ziffer II)

10.500,– DM

Gegenstandswert für die außerordentliche Kündigung vom 25.01.1988 (Klageantrag Ziffer I)

1.000,– DM

Gegenstandswert für den Leistungsantrag (Klageantrag Ziffer III)

1.184,13 DM

Mit der am 27.07.1988 zum Arbeitsgericht Nürnberg erhobenen Beschwerde vom gleichen Tage begehren die Beschwerdeführer unter Abänderung des Beschlusses vom 06.07.1988 den Gesamtstreitwert wie folgt festzusetzen:

Gegenstandswert für die außerordentliche Kündigung vom 25.01.1988

10.500,– DM

Gegenstandswert für die ordentliche Kündigung vom 08.02.1988

10.500,– DM

Zeugniserteilung u.ä. (Ziffer 3 des Vergleichs vom 09.03.1988)

5.250,– DM

Leistungsantrag (Ziffer III der Klage)

2.186,43 DM

Im übrigen wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.

Die gemäß §§ 78 Abs. 1 ArbGG, 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, 25 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte Beschwerde ist zum Teil begründet. Nach der ständigen Rechtsprechung aller Kammern des Landesarbeitsgerichts Nürnberg, die mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG NZA 1985, 369) übereinstimmt, stellt der Streitwert in Höhe von drei Monatsverdiensten gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG keinen Regelstreitwert, sondern nur die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Streitwert dar. Der Wert des Streitgegenstandes ist insbesondere von der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig, sofern bei einer typisierenden, regelgebundenen Bewertung nicht besondere Umstände eine Erhöhung oder Herabsetzung rechtfertigen. Die Obergrenze des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG gilt für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich auch dann, wenn ein Arbeitnehmer in einem Prozeß eine Kündigungsschutzklage oder eine Klage auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses nach § 256 ZPO mit einer zweiten Kündigungsschutzklage nach § 1 KSchG verbunden hat (BAG NZA 1985, 296). Grundsätzlich hat zwar jede Kündigungsschutzklage einen eigenen Streitwert, gleichgültig, ob die Klagen in einem einzigen Verfahren oder in mehreren Verfahren anhängig gemacht werden. Eine Herabsetzung des Streitwerts ist aber dann gerechtfertigt, wenn mehrere Kündigungen von einem Arbeitnehmer mit gesonderten Feststellungsklagen desselben Arbeitsverhältnisses zeitlich in einem engen Zusammenhang stehen (BAG NZA 1985, 296).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle gegeben. Die Kündigungen stehen zeitlich in einem engen Zusammenhang. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag in der Klagebegründung hat die Beklagte die ordentliche Kündigung vom 08.02.1988 „rein vorsorglich” für den Fall der Unwirksamkeit der vorausgegangenen außerordentlichen Kündigung vom 25.01.1988 erklärt. Beiden Kündigungen liegt der gleiche Kündigungssachverhalt zugrunde. Diese Umstände rechtfertigen eine Herabsetzung des Wertes des Streitgegenstandes, wie sie das Arbeitsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen vorgenommen hat.

Dagegen ist die Wertfestsetzung auf 1.184,13 DM für den Leistungsantrag entsprechend der vom Arbeitsgericht durchgeführten Berechnung unzutreffend. Das Arbeitsgericht hat von dem Bruttolohn von 3.500,– DM einen auf 1.000,– DM geschätzten Gesamtbetrag für Lohnsteuer und Sozialabgaben abgezogen und die Differenz von 2.500,– DM um einen von der Beklagten geleisteten Betrag von 1.313,87 DM vermindert. Nach allgemeiner Auffassung wird der Wert des Streitgegenstandes durch den Klageantrag bestimmt. Streitgegenstand ist somit der Bruttolohn als die vom Arbeitgeber geschuldete Leistung (BAG AP Nr. 20 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BGH AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lohnanspruch). Dabei kann offen bleiben, in welcher Höhe der Lohn letztlich ausbezahlt wird. Das Gericht ist nicht befugt, eine nach dem Bruttolohn bezifferte Zahlungsklage um die geschätzten Beträge für Lohnsteuer und Sozialabgaben herunterzurechnen. Insoweit gilt § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO a...

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