Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges. Rechtswegzuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Für Klagen eines angestellten „Geschäftsführers” einer Einzelhandelsfirma ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet, wenn die Vertragsparteien den Anstellungsvertrag als „Arbeitsvertrag” bezeichnet haben.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 48 Abs. 1; GVG § 17a
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Beschluss vom 11.03.2004; Aktenzeichen 4 Ca 1583/03 C) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 11.03.2004, Az. 4 Ca 1583/03 C, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf EUR 6.243,48.
Tatbestand
I.
Der am 17.03.1935 geborene Kläger war bei der Beklagten in leitender Funktion seit dem Jahr 1973 bis zum 31.03.1993 beschäftigt. Inhaberin der Beklagten war bis zum Jahr 2000 die Ehefrau des Klägers und seit dem 01.01.2001 seine Tochter C….
Der Kläger erbrachte seine Dienste auf der Grundlage geschlossener Arbeitsverträge, für ihn wurden Sozialabgaben abgeführt und er bezog vom 01.04.1993 bis 31.03.1995 Arbeitslosengeld.
Die Beklagte zahlte an den Kläger ab dem 01.04.1995 eine monatliche Betriebsrente von EUR 520,29, stellte diese Zahlungen jedoch ab August 2003 ein.
Hiergegen wendet sich die zum Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – eingereichte Klage vom 17.10.2003, mit der der Kläger rückständige Betriebsrente und die Wiederaufnahme der monatlichen Zahlungen von EUR 520,29 begehrt.
Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges und behauptet, der Kläger sei wegen seiner leitenden Stellung in dem Unternehmen kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes.
Das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – hat mit Beschluss vom 11.03.2004 den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt.
Gegen den der Beklagten am 17.03.2004 zugestellten Beschluss haben ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 18.03.2004, der am Folgetag beim Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – hat mit Beschluss vom 01.06.2004 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Sie ist gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft und gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 567, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt. Auf seine Ausführungen in der Ausgangsentscheidung vom 11.03.2004 (Bl. 52-55 d.A.) und in der Nichtabhilfeentscheidung vom 01.06.2004 (Bl. 76-78 d.A.) wird deshalb verwiesen.
a) Trotz der von der Beklagten behaupteten leitenden Funktion des Klägers bei der Beklagten ist dieser nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aus dem Kreis der Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ausgenommen. Der Kläger war nämlich nicht organschaftlicher Vertreter einer juristischen Person oder Personengesamtheit, denn die Beklagte wird lediglich als Einzelhandelsfirma betrieben und nicht als eine juristische Person oder Personengesamtheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Im Übrigen hatte der Kläger weder die formale Stellung eines Vertretungsorgans noch war er vertretungsberechtigter Gesellschafter der Beklagten.
b) Der Kläger hat seine Tätigkeit als „Geschäftsführer” oder „leitender Angestellter” im Rahmen eines Dienstvertrages gemäß § 611 BGB erbracht, für dessen rechtliche Einordnung als Arbeitsverhältnis oder sonstiges Dienstverhältnis – entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin – entscheidend auf die von den Vertragsparteien gewählte Vertragsform abzustellen ist.
Für die Abgrenzung von anderen Vertragsbeziehungen, insbesondere einem sonstigen Dienstverhältnis i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 12.06.1996 – 5 AZR 1066/94 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB freier Mitarbeiter; Urteil vom 19.11.1997 – 5 AZR 653/96 – AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit; jeweils m.w.N.) nicht entscheidend darauf abgestellt, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnet haben. Der Status des Beschäftigten bestimmt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt einzuordnen ist. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wird der Vertrag abweichend von den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen vollzogen, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, durch Parteivereinbarung könne die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis ...