Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg bei Streitigkeiten aus privatrechtlichen Dienstverhältnissen der Kirchen als Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Rechtsstreit eines bei der Erzdiözese im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages angestellten Arbeitnehmers auf Schadensersatz wegen Verstößen gegen das kirchliche Datenschutzgesetz (KDG) ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben und nicht zu den nach KDSGO errichteten interdiözesanen Datenschutzgerichten.

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Soweit die Kirchen die Dienstverhältnisse ihrer Beschäftigten weder im Rahmen öffentlich-rechtlicher Grundsätze ordnen, noch die geistigen Amtsträger entsprechend ihres Amtes beschäftigen, noch eine Tätigkeit von Ordensangehörigen in kirchlichen Einrichtungen vorliegt, kommt das jeweilige Arbeitsverhältnis durch einen privatrechtlichen Vertrag zustande. Die Kirche ist dann Arbeitgeber i.S.d. § 2 ArbGG. Diese ausschließliche Zuständigkeit der staatlichen Arbeitsgerichte und damit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten können nicht durch kirchliches Recht abgeändert werden.

 

Normenkette

GG Art. 140; DSGVO Art. 79 Abs. 2, Art. 82 Abs. 6, Art. 91 Abs. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3; KDG §§ 49-50; KDSGO §§ 2, 14; GG Art. 137 Abs. 3; WRV Art. 137 Abs. 3; GVG § 17a Abs. 4 S. 3; BetrVG § 118 Abs. 2; BPersVG § 112; ArbGG § 4

 

Verfahrensgang

ArbG Bamberg (Entscheidung vom 04.02.2020; Aktenzeichen 1 Ca 617/19)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 04.02.2020 - Az. 1 Ca 617/19 - abgeändert.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger macht mit vorliegender Klage einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Datenschutzverstoß geltend. Der Kläger ist seit dem 24.05.1989 bei der beklagten Erzdiözese als Leiter eines Jugendtreffs beschäftigt. Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger insbesondere an, dass seine Angaben über seine Krankheitsursachen und seines Gesundheitszustandes im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements einem Personenkreis zugänglich gemacht wurden, der nicht an diesem BEM teilgenommen hatte.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.02.2020 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das Interdiözesane Datenschutzgericht in Köln verwiesen. Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, dass nach § 2 Abs. 1 KDSGO (Kirchliche Datenschutzgerichtsordnung) die kirchlichen Gerichte in Datenschutzangelegenheiten für die Überprüfung von Entscheidungen der Datenschutzaufsicht der katholischen Kirche in Deutschland sowie für gerichtliche Rechtsbehelfe der betreffenden Person gegen den Verantwortlichen oder den kirchlichen Vertragsverarbeiter zuständig seien. Diese Zuständigkeit auch in individuellen Einzelfällen unterscheide sich von der Zuständigkeitsregelung der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 3 KAGO (Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung), die eine Zuständigkeit bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ausdrücklich ausschließe. Die Bestimmungen über den kirchlichen Datenschutz und die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit seien jedoch gegenüber den allgemeinen zivil- und arbeitsrechtlichen Vorschriften Spezialvorschriften und gehen deshalb vor. Die katholische Kirche habe im Rahmen des Art. 140 GG, 137 Abs. 3WRV im Hinblick auf den kirchlichen Datenschutz von ihrer Rechtssetzungsbefugnis durch den Erlass des KDG (Gesetz über den kirchlichen Datenschutz) und der KDSGO umfassend Gebrauch gemacht. Dies sei gemäß Art. 91 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) auch europarechtlich zulässig. Hierbei regele § 50 KDG auch Ansprüche auf Schadensersatz einzelner Personen. Auch hierfür eröffne § 2 Abs. 1 Satz 1 KDSGO den Rechtsweg zu den kirchlichen Gerichten in Datenschutzangelegenheiten. Der gerichtliche Rechtsbehelf der einzelnen betroffenen Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KDSGO sei zu unterscheiden von kirchlichen Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen der Datenschutzaufsicht über das Vorliegen einer Datenschutzverletzung gemäß § 2 Abs. 2 KDSGO. Der Begriff des gerichtlichen Rechtsbehelfs im Sinne der KDSGO meine einerseits die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen einer einzelnen betroffenen Person gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. KDSGO im Gegensatz zur Überprüfung von Entscheidungen der Datenschutzaufsichten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 KDSGO. Dieser prozessualen Differenzierung entspreche auch die Regelung in § 49 KDG, wonach in Absatz 1 der gerichtliche Rechtsbehelf gegen Bescheide der Datenschutzaufsicht und in Absatz 2 unbeschadet eines Rechts auf Beschwerde bei der Datenschutzaufsicht das Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf aufgrund eines Verstoßes gegen die im KDG geregelten Rechte des Betroffen...

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