Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Betriebsverfassung. Bestimmtheit des Antrags. Einstweilige Verfügung. Benachteiligung wegen gewerkschaftlicher Betätigung. Herausgabeanspruch von Überleitungsverträgen nach Betriebsübergang. Verfügungsanspruch auf Unterlassung nach Durchführung. einstweiliger Verfügung/Arrest
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag, der Untersagung einer „Verlagerung der Beschäftigten auf eine andere Firma, weil diese am Streik teilgenommen haben”, zum Inhalt hat, ist mangels Bestimmtheit unzulässig.
2. Pflicht und Recht des Betriebsrats, darüber zu wachen, dass die Beschäftigten nicht benachteiligt werden (§ 75 Abs. 1 BetrVG), geben keinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber hinsichtlich bestimmter Maßnahmen.
3. Der Übergang einer betrieblichen Einheit, für den ein Betriebsrat gewählt ist, nach § 613a BGB stellt für sich genommen keinen Nachteil für die Beschäftigten dar.
4. Ist der Betriebsteil übergegangen, kann Unterlassung des Übergangs nicht mehr verlangt werden.
5. Der Betriebsrat hat auch nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG keinen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber die Überleitungsverträge zur Verfügung stellt, wenn er nicht darlegt und glaubhaft macht, welche konkrete Folgerungen für Betriebsrat und Arbeitsverhältnisse sich hieraus ableiten sollen.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3, § 75 Abs. 1, § 80 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Beschluss vom 16.08.2005; Aktenzeichen 2 BVGa 5/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 16.08.2005, Az. 2 BVGa 5/05, wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung über den Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der Verlagerung der Beschäftigten sowie über die Verpflichtung zur Herausgabe von Überleitungsverträgen.
Antragsteller ist der in der Filiale A. bestehende einköpfige Betriebsrat. Diese Filiale gehörte bisher zum Unternehmen der Beteiligten zu 2.), die eine Vielzahl von Einzelhandelsfilialen betreibt. Mit Schreiben vom 29.07.2005 wurde sämtlichen Beschäftigten der Filiale A. mitgeteilt, dass mit Wirkung ab 01.08.2005 sämtliche Betriebsmittel auf die Beteiligte zu 3.) übertragen worden seien und dass die Arbeitsverhältnisse mit diesem Datum auf die Beteiligte zu 3.) übergingen.
Mit ihrem Antrag vom 09.08.2005 hat der Antragsteller vorgebracht, sämtliche fünfzehn Beschäftigte der Filiale hätten sich am 24.06.2005 in der aktuellen Tarifrunde im Einzelhandel in Bayern mit einem Warnstreik für Lohnerhöhungen und die Sicherung der Tarifregelungen eingesetzt. An diesbezüglichen Streikmaßnahmen hätten auch Beschäftigte der Filialen in D. und E. teilgenommen. Die Beteiligte zu 2.) habe dies zum Anlass genommen, die Schließung der Filiale in D. anzukündigen und die Filiale in E. aus dem Unternehmen auszugliedern. In F. sei der Hauptinitiatorin der Betriebsratswahl gekündigt worden. Die Beschäftigten der Filiale A. hätten nun ein Überleitungsschreiben erhalten; sie würden an die Beteiligte zu 3.) ausgegliedert. Offensichtlich habe die Beteiligte zu 2.) einen Zusammenhang zwischen Betriebsräten und Streikmaßnahmen hergestellt und aus diesem Grund auch den Betriebsübergang herbeigeführt. Sie habe mit unzulässigen Mitteln auf die Streikteilnahme reagiert, um Mitarbeiter hierfür „zu bestrafen”. Dies begründe den Anspruch aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Die Beteiligte zu 2.) habe ihre Pflichten gröblich verletzt; die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats beinhalte die Überwachung der Einhaltung der Rechtsordnung. Hieraus ergebe sich sein Anspruch. Der Anspruch auf die Herausgabe der Überleitungsverträge ergebe sich aus § 80 Abs. 2 S. 1 und 2 BetrVG. Der Betriebsrat müsse hierdurch in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob sich für ihn Aufgaben und Mitbestimmungstatbestände ergäben. Hierzu müsse der Arbeitgeber entsprechende Unterlagen zur Verfügung stellen. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass bei einem Übergang zum 01.08.2005 für die Mitarbeiter Fakten geschaffen würden. Mit den Überleitungsverträgen könne wenigstens noch innerhalb der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB geprüft werden, ob den Mitarbeitern Nachteile drohten.
Der Antragsteller hat daher vor dem Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:
- Der Beteiligten zu 2.) wird untersagt, die Beschäftigten in den Betrieb der Beteiligten zu 3.) zu verlagern, weil einzelne Beschäftigte des Betriebs, der verlagert werden soll, an einem Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft ver.di im Rahmen der Tarifauseinandersetzungen 2005 im Einzelhandel in Bayern aufgerufen hat teilgenommen haben.
- Die Beteiligten zu 2.) und 3.) werden verpflichtet, dem Antragsteller die Überleitungsverträge von der Beteiligten zu 2.) auf die Beteiligte zu 3.) zur Verfügung zu stellen.
- Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Nummern 1. und 2. wird der Beteiligten zu 2.) und für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflicht...