Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Internetnutzung
Leitsatz (redaktionell)
Ein „grundsätzliches” Verbot der privaten Nutzung des Internets in einer staatlichen Behörde oder Einrichtung kann dahingehend verstanden werden, dass die Nutzung in Einzelfällen gleichwohl als erlaubt anzusehen ist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 9
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 25.03.2003; Aktenzeichen 2 Ca 1952/02) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 25.03.2003, Az. 2 Ca 1952/02, wird, soweit noch nicht rechtskräftig über sie entschieden ist, zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Revision zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über eine verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung, den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers sowie einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers.
Der 1953 geborene, für seine Ehefrau unterhaltspflichtige Kläger ist seit 01.05.1991 im staatlichen W…amt als Diplom-Ingenieur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages bzw. den diesen ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger ist seit 1999 schwerbehindert mit einem Grad von 50. Diese Schwerbehinderung teilte er dem Beklagten mit Schreiben vom 20.08.2002 schriftlich mit.
Nachdem auf dem dienstlichen Rechner des Klägers Störungen aufgetreten waren, wurde durch Mitarbeiter der Datenverarbeitung am 27.06.2002 eine neue Festplatte installiert. Dabei wurde das User-Profil des Klägers gesichert. Am 05.07.2002 erfolgte die Rückgabe des Rechners an den Kläger. Bei einer Nachkontrolle des Rechners am 15.07.2002 wurde festgestellt, dass die Software-Programme JAVA und JAP – beides Software zur Anonymisierung von Internetzugriffen – auf den Rechner des Klägers installiert waren. Nach Rückgabe des Rechners an den Kläger installierte dieser die Programme auch auf die neue Festplatte. Auf der gewechselten Festplatte des klägerischen Rechners befanden sich unter dem Ordner „Favoriten” mehrere Internetadressen wie „Airlines.de – Einfach abheben”, „ARD-Ratgeber Bauen und Wohnen”, „Ausstellung von Town- und Country-Massivhäusern”, „Bayr. Landeszahnärztekammer”, „Die Nordsee – sieben Inseln – eine Küste”, „Fenster- und Fassadenhersteller”, „Ostsee”, „Lochness Live”, Worldwide WEB Cameras”, „SMS-Infowelt – Die Handyzeitung”, „Handelsblatt, Inernetbörsenmagazin”, „Anwaltssuche, Kanzleien in Deutschland”, „Landkarten, Stadtpläne, Routenplaner”, „Anonym im Internet”, dazu fünf Favoriten mit WebCam „Gardesee” und zwei Favoriten „Outdoor-Produkte”. Auf der neu installierten Festplatte wurden die Favoriten „Aktien, Börse, Wirtschaft sharper.de”, „comdirect – Informer 2”, „OnVista-Wertpapieranalyse-Aktienkurse” und „Mobilfunk Elektrosmog” gefunden.
Beim W.amt W. existiert eine Dienstanweisung für den PC-Einsatz vom 19.10.1992/01.11.1992 über die PC-Nutzung (Anlage 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 25.10.2002, Bl. 137 ff. d.A.). Der Kläger hat bestätigt, diese Dienstanweisung erhalten zu haben (Anlage 4a, ebenda, Bl. 137 d.A.). Aus der Dienstanweisung ergibt sich, dass der PC nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden dürfe und dass nur dienstliche Software verwendet werden dürfe. Aus einer weiteren Dienstvereinbarung vom 27.04.2000 (Anlage 5, ebenda, Bl. 142 ff. d.A.) ergibt sich, dass die Installation von Software auf dem dienstlichen PC nicht zulässig ist und dass die private Nutzung des Internets grundsätzlich unzulässig ist. Auf den Abschluss dieser Dienstvereinbarung wies der Dienststellenleiter im Informationsschreiben an die Mitarbeiter vom April 2000 hin (Anlage 5b, ebenda, Bl. 152 d.A.). Im Informationsschreiben vom Dezember 2001 wurde nochmals erinnert, dass bei jeder Beschaffung von Hard- und Software die Zustimmung der Fachabteilung erforderlich sei (Anlage 7, ebenda, Bl. 155 f d.A.).
Mit Schreiben vom 31.07.2002 gab der Behördenleiter dem Kläger Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, er habe verbotenerweise die Anwendungen JAP und JAVA auf seinen PC heruntergeladen, er habe mit einer Privatnutzung von Intranet und Internet von durchschnittlich 1,2 Stunden am Tag gegen die Dienstvereinbarung verstoßen und er habe sich mit der Verwendung der Anonymisierungsprogramme der Dienstaufsicht entzogen. Der Kläger ließ durch seine Anwälte um Verlängerung der Stellungnahmefrist bis 09.08.2002 bitten; dies lehnte der Behördenleiter ab.
Der Behördenleiter, Baudirektor G., sprach dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 08.08.2002 die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31.03.2003 aus. Mit Schreiben vom 05.09.2002, unterzeichnet durch den Bauoberrat B., wurde dem Kläger erneut außerordentlich und hilfsweise ordentlich mit Wirkung zum 31.03.2003 gekündigt. Der Kläger ließ diese Kündigung mit Telefax und Schreiben vom 05.09.2002 wegen fehlender Vollmachtsvorlage zurückweisen. Mit Schreiben vom 06.09.2002 wurde die außerordentliche, hilfsweise ord...