Entscheidungsstichwort (Thema)
Internetnutzung als Kündigungsgrund. Abmahnung. Internetnutzung während der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ist dem Arbeitnehmer „grundsätzlich” nicht gestattet, während der Arbeitszeit privat im Internet zu surfen, ist diese Anweisung nicht konkret genug, um bei privatem Surfen, dessen Umfang nicht im Einzelnen feststeht, ohne entsprechende Abmahnung eine Kündigung zu rechtfertigen.
2. Lädt der Arbeitnehmer eine Anonymisierungssoftware auf seinen zur dienstlichen Nutzung bestimmten Rechner, lässt dies zwar die Vermutung der privaten Nutzung zu, jedoch ist bei mangelndem Nachweis des zeitlichen Umfangs tatsächlicher Privatnutzung allenfalls eine Verdachtskündigung – nicht aber eine Tatkündigung – möglich. Die Anzahl gespeicherter Internetadressen gibt für sich allein noch keinen Aufschluss über den zeitlichen Umfang ihrer Nutzung.
3. Selbst wenn man verbotene private Internetnutzung in gewissem Umfang unterstellen kann, überwiegen im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB die Interessen eines langjährig beschäftigten Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber erhebliche Beeinträchtigungen dienstlicher Interessen nicht vortragen und belegen kann.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; BAT § 54
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 25.03.2003; Aktenzeichen 2 Ca 1952/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 25.03.2003, Az. 2 Ca 1952/02, wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer verhaltensbedingter Arbeitgeberkündigungen.
Der am 13.12.1953 geborene, für seine Ehefrau unterhaltspflichtige Kläger ist seit 01.05.1991 im C-Amt beschäftigt. Er ist als Diplom-Ingenieur in BAT III eingruppiert und bezog zuletzt ein Bruttoentgelt von monatlich EUR 3.618,74. Das Arbeitsverhältnis richtet sich im übrigen nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages. Der Kläger ist seit 11.10.1999 schwerbehindert mit 50 Grad.
… (Es folgen Ausführungen zu weiteren Kündigungen vom 05.09.2002, 06.09.2002, und vom 09.09.2002, die vom Beklagten aus formellen Gründen – jedoch aus dem gleichen Grund – ausgesprochen wurden).
Am dienstlichen Rechner des Klägers traten im Juni 2002 wiederholt Störungen auf. Aus diesem Grund wurde durch Mitarbeiter der Datenverarbeitung am 27.06.2002 auf dem vom Kläger genutzten Rechner eine neue Festplatte installiert. Hierzu wurde das User-Profil des Klägers gesichert. Am 05.07.2002 erfolgte die Rückgabe des Rechners an den Kläger. Bei einer Nachkontrolle des Rechners am 15.07.2002 wurde festgestellt, dass die Software-Programme JAVA und JAP – Software zur Anonymisierung von Internetzugriffen – auf dem Rechner des Klägers installiert waren. Nach Rückgabe des Rechners an den Kläger installierte dieser diese Programme am 05.07.2002 auch auf die neue Festplatte. Darüber hinaus befanden sich auf der ausgewechselten Festplatte unter dem Ordner „Favoriten” mehrere Internetadressen, z.B. „Airlines.de – Einfach abheben”, „ARD-Ratgeber Bauen und Wohnen”, „Ausstellung von Town- und Country-Massivhäusern”, „Bayr. Landeszahnärztekammer”, „Bundeszahnärztekammer”, „Die Nordsee – sieben Inseln – eine Küste”, „Fenster- und Fassadenhersteller”, „Ostsee”, „Lochness Live”, „Worldwide WEB Cameras”, „SMS-Infowelt – Die Handyzeitung”, „Handelsblatt, Internetbörsenmagazin”, „Anwaltssuche, Kanzleien in Deutschland”, „Landkarten, Stadtpläne, Routenplaner”, „Anonym im Internet”, dazu fünf Favoriten mit WebCam „Gardasee” und zwei Favoriten „Outdoor-Produkte”. Auf der neu installierten Festplatte fanden sich die Favoriten „Aktien, Börse, Wirtschaft sharper.de”, „comdirect – Informer 2”, „OnVista-Wertpapieranalyse-Aktienkurse” und „Mobilfunk Elektrosmog”.
Beim C-Amt D. existiert eine „Dienstanweisung für den PC-Einsatz” vom 19.10.1992/01.11.1992, in der festgelegt ist, welche Daten auf dem dienstlichen PC zulässig sind; daraus ergibt sich, dass nur dienstliche Software verwendet werden darf und dass der PC nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden darf (Anlage 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 25.10.2002, Bl. 137 ff. d.A.). Der Kläger hat bestätigt, diese Dienstanweisung erhalten zu haben (Anlage 4a ebenda, Bl. 140 d.A.). Des weiteren existiert eine Dienstvereinbarung über Nutzung des Internets vom 27.04.2000 (Anlage 5 ebenda, Bl. 142 ff. d.A.). Aus deren Ziff. II.3. ergibt sich, dass Software-Installation auf dem PC nicht zulässig und dass die private Nutzung des Internets grundsätzlich unzulässig ist (dort S. 6, Bl. 144 Rückseite). Auf den Abschluss dieser Dienstvereinbarung wies der Dienststellenleiter im Informationsschreiben vom April 2000 die Mitarbeiter hin (Anlage 5b ebenda, Bl. 152 d.A.). Im Informationsschreiben vom Januar 2001 wurde an das Verbot der privaten Internet-Nutzung erinnert (Anla...