Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit. Unwirksame verhaltensbedingte Kündigung wegen verweigerter Teilnahme der arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin an einem Personalgespräch
Leitsatz (amtlich)
Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen.
Normenkette
KSchG § 1; GewO § 106; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2; GewO § 106 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 04.09.2014; Aktenzeichen 10 Ca 2110/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 04.09.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die Klägerin steht seit 02.07.2007 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.
Die Klägerin richtete am 18.03.2013 um 7:24 Uhr folgende e-mail an den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn H...:
...
da die angebotene berufliche Veränderung schon ein großer Schritt wäre, brauch ich zwingend Zeit um dass ordentlich zu überdendenken, daher würd ich diese Woche gern Urlaub nehmen. Damit ich zum 1.4. auch darauf vorbereitet bin. Befinde mich heute im Homeoffice!
...
Herr H... antwortete am selben Tag um 13:12 Uhr ebenfalls per e-mail wie folgt:
...
wir haben abgesprochen, das ich heute ein ja/nein erhalte. Wir müssen sofern Du den besprochenen Schritt machen möchtest einiges erledigen und ich habe keine Zeit zu verlieren - somit ist die Wahl des Urlaubstimings suboptimal. Diesen Urlaub kann man, wenn alle Entscheidungen getroffen sind gerne berücksichtigen - soweit sind wir aber heute noch nicht.
Ich erwarte bis Mittwoch ein Go oder stand off.
...
Ab 20.03.2013 war die Klägerin arbeitsunfähig geschrieben. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis 30.06.2013.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 20.03.2013 ordentlich zum 31.05.2013.
Die Klägerin erhob gegen die Kündigung am 02.04.2013 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg.
Die Beklagte lud die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.2013 zu einem Personalgespräch am 30.04.2013 ein. Mit e-mail vom selben Tag erkundigte die Klägerin sich nach dem Anlass für das Gespräch. Zu dem Personalgespräch erschien die Klägerin nicht.
Unter dem 02.05.2013 lud die Beklagte die Klägerin ein weiteres Mal zu einem Personalgespräch am 06.05.2013 ein. Zum Inhalt des Gesprächs äußerte sich die Beklagte nicht.
Die Prozessvertreterin der Klägerin forderte die Beklagte unter dem 06.05.2013 auf, Auskunft zu geben, welchen Anlass das gewünschte Gespräch habe, da die Klägerin noch arbeitsunfähig erkrankt sei.
Zum Personalgespräch erschien die Klägerin nicht.
Die Beklagte erteilte der Klägerin deshalb eine Abmahnung.
Am 07.05.2013 lud die Beklagte die Klägerin zu einem Personalgespräch am 10.05.2013 um 12:00 Uhr ein.
In einem weiteren Schreiben vom 07.05.2013 (Bl. 88) teilte die Beklagte der Klägerin u.a. mit, ihr stünden für März 2013 für 13 Kalendertage keine Vergütungsansprüche zu, und forderte die Klägerin auf, bis 15.05.2013 525,70 € netto an sie, die Beklagte, zurückzuzahlen. Die Beklagte kündigte ferner an, die Klägerin werde wegen der verspäteten Hereinsendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.04.2013, des unentschuldigten Fernbleibens von der Erbringung der Arbeitsleistung und wegen des unentschuldigten Fernbleibens vom angeordneten Personalgespräch vom 06.05.2013 jeweils eine gesonderte Abmahnung erhalten. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:
In diesem Zusammenhang erlauben wir uns die Anmerkung, dass Sie vielleicht arbeitsunfähig erkrankt sein mögen, aber doch sehr wohl in der Lage sind, mit uns als Arbeitgeber zu sprechen. Im Rahmen des Personalgesprächs verlangen wir von Ihnen ja auch keine Arbeitsleistung, sondern lediglich die Teilnahme an einem Gespräch, zu der Sie arbeitsrechtlich auch verpflichtet sind.
Wir geben Ihnen auch zur Erörterung anderer Unregelmäßigkeiten und aufgetretenen Störungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses die Gelegenheit, zu einem weiteren Personalgespräch in unseren Betriebsräumen zu erscheinen, welches wir hiermit festsetzen für den 10.05.2013 um 12:00 Uhr.
In einer e-mail vom 10.05.2013 um 10:54 teilte die Beklagte der Klägerin bzw. ihren Prozessvertretern mit, durch ihre vorangegangenen Schreiben habe sie deutlich gemacht, dass es nicht um eine Vertragsänderung oder den Inhalt des Klageverfahrens vor dem Arbeitsgericht gehe, sondern um die Sicherstellung und Verbesserung der Erbringung der Arbeitsleistung und Erfüllung von Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, solange dieses bestehe.
Die Klägerin erschien auch zu dem Personalgespräch am 10.05.2013 nicht.
Mit Schreiben vom 14.05.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2013.
Die Klägerin erweiterte die Klage insoweit am 29.05.2013.
Außerdem erhob sie Anspruch auf Vergütung für den Zeitraum April bis August 2013 und auf Weiterbeschäftigung.
In der Kammerverhandlung vom 13.02.2013 erließ ...