Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, gegen Bruttogehaltsansprüche des Arbeitnehmers mit Rückforderungsansprüchen – hier wegen Rückforderung der Weihnachtsgratifikation – dergestalt aufzurechnen, dass er die Bruttobeträge „brutto gegen brutto” voneinander abzieht. Er kann vielmehr Bruttorückforderungen nur gegen späteres Nettoentgelt verrechnen.

2. Rechnet der Arbeitgeber mit mehreren Gegenforderungen auf, welche die Arbeitnehmeransprüche insgesamt übersteigen, so muss er die Aufrechnungsforderungen in ein Stufenverhältnis stellen. Tut er dies nicht und lässt sich eine Reihenfolge auch aus sonstigen Umständen nicht entnehmen, so fehlt es an der Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung; die Aufrechnung ist insgesamt unzulässig.

3. Auch bei Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes zur Kündigung einer Schwangeren kann der Arbeitgeber die Kosten für den Bescheid nicht als Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruch vom Arbeitnehmer erstattet verlangen.

4. Kündigt der Arbeitgeber zum 30.11. und einigen sich die Parteien später auf einen im nächsten Kalenderjahr liegenden Beendigungstermin, so kann der Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung für im alten Jahr nicht genommenen Urlaub – soweit keine anderweitigen Übertragungssachverhalte vorliegen – nur dann verlangen, wenn er den Urlaub so rechtzeitig geltend gemacht hat, dass er diesen im alten Kalenderjahr noch hätte einbringen können.

 

Normenkette

BGB § 387 ff.; EStG § 37 Abs. 2; SGB IV § 26 Abs. 3; BGB § 396 Abs. 1 S. 2; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 09.10.1996; Aktenzeichen 3 Ca 742/96 S)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten vom 26.11.1996 hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Schweinfurt, vom 09.10.1996 – Az.: 3 Ca 0742/96 S – in Ziff. 1 teilweise abgeändert.

II. Die Beklagte hat an die Klägerin DM 5.751,62 brutto abzüglich DM 160,80 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 01.06.1996 zu zahlen.

III. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

IV. Die Anschlußberufung der Klägerin vom 21.01.1997 wird zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin hat 2/5, die Beklagte 3/5 zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Pflicht eines ehemaligen Arbeitgebers zur Zahlung von Entgelt- und Urlaubsabgeltungsansprüchen an die ausgeschiedene Arbeitnehmerin sowie um die Möglichkeit des Arbeitgebers zur Aufrechnung mit Ansprüchen auf Schadensersatz und Gratifikationsrückzahlung.

Die Klägerin war seit 01.11.1994 bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Sie erhielt zuletzt ein Bruttoentgelt in Höhe von DM 3.090,– monatlich zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen. Ende Oktober/Anfang November kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien wegen einer Löschung von betrieblichen Daten durch die Klägerin auf dem von ihr bedienten PC. Hierüber kam es am 03.11.1995 zu einem Gespräch zwischen den Parteien. Die Beklagte überwies der Klägerin als freiwillige Leistung am 30.11.1995 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Mit Schreiben vom 04.12.1995 sprach die Beklagte der Klägerin die fristlose Kündigung aus mit der Begründung, diese habe am 31.10.1995 absichtlich Daten aus der Festplatte gelöscht und diese auf Diskette gespeichert, so daß diese Daten dem Zugriff anderer Mitarbeiter entzogen gewesen seien. Am 03.11.1995 habe die Klägerin ihr Fehlverhalten zugegeben. Dessen ungeachtet habe sie am 30.11.1995 diese Diskette gegen eine Leerdiskette ausgetauscht und damit einen erheblichen Schaden verursacht.

Die Beklagte übersandte das Kündigungsschreiben per Einschreiben an die Klägerin; diese holte das Schreiben jedoch nicht ab. Die Beklagte ließ die Kündigung daher nochmals per Boten übermitteln; nach eigenen Angaben der Klägerin hat sie das Kündigungsschreiben am 13.12.1995 erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin schwanger. Mit Bescheid vom 19.01.1996, für den es eine von der Beklagten gezahlte Gebühr von 300,– DM und von der Beklagten erstattete Auslagen in Höhe von DM 64,60 festsetzte, genehmigte das Gewerbeaufsichtsamt die Kündigung. In der Begründung des Bescheides ist angeführt, daß die Klägerin das ihr vorgeworfene Fehlverhalten zugegeben habe (Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23.07.1996, Bl. 29 ff. d.A.).

Die Klägerin erhob Klage gegen die Kündigung; diese Klage wurde beim Arbeitsgericht Würzburg unter dem Aktenzeichen 4 Ca 1903/95 S geführt. In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.1996 einigten sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht auf den Abschluß eines Vergleiches des Inhalts, daß das Arbeitsverhältnis zum 26.01.1996 beendet sein sollte. Die Beklagte zahlte das Entgelt für Dezember und für Januar nicht aus mit der Begründung, es ständen ihr Gegenansprüche in übersteigender Höhe zu.

In ihrer am 21.05.1996 eingegangenen Klage vom 20.05.1996 hat die Klägerin die Auffassung vertreten, daß ihr neben dem Entgelt für Dezember 1995 in Höhe von DM 3.103,– brutto noch Vergütun...

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