Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der (fiktiven) Übernahme eines neuen, höher dotierten Arbeitspostens durch ein frei gestelltes Betriebsratsmitglied
Leitsatz (amtlich)
Die (fiktive) Übernahme eines neuen, höher dotierten Arbeitspostens führt auch bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied nicht zu einer Höherstufung im Besitzstand, sondern zu einer Aufzehrung der Besitzstandszulage bzw. deren Abschmelzung.
Normenkette
ETV für Arbeitnehmer der D-AG § 30 Anh. 2 Fassung: 2003-01-09; BetrVG § 37 Abs. 2, § 38
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 26.05.2015; Aktenzeichen 13 Ca 5078/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 26.05.2015 - Az. 13 Ca 5078/14 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Besitzstandszulage der Klägerin und um sich daraus ergebende Vergütungsdifferenzansprüche für die Monate Juli 2013 bis November 2014.
Die Klägerin ist seit 01.04.1990 bei der Beklagten angestellt und derzeit als Betriebsrätin freigestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel die Tarifverträge der D-AG (D-AG) in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Mit Tarifvertrag Nummer 95 wurden u.a. die Regelungen des Tarifvertrages für die Angestellten der D-AG (TV Ang) zum 31.08.2003 außer Kraft gesetzt und zum 01.09.2003 durch den neuen Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der D-AG (ETV-D-AG) ersetzt. Zum Stichtag des 31.08.2003 war die Klägerin dem Status nach Angestellte. Sie war Annahmekraft und als solche als Betriebsrätin auch zu diesem Zeitpunkt freigestellt. Für die Angestellten, die am 31.08.2003 bereits und am 01.09.2003 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Angestellte zur D-AG standen, wurden gemäß § 30 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang 2 ETV-D-AG besondere Besitzstands- und Rechtsstandsregelungen für Angestellte vereinbart. In Anhang 2 Teil A "Besitzstand- und Rechtsstand Vergütung" ist in Absatz 1 geregelt:
"Der Arbeitnehmer gemäß § 30 Abs. 2 (im Folgenden Angestellter genannt) erhält für Zeiten mit Anspruch auf Monatsgrundentgelt gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 7 eine Besitzstandszulage "Vergütung" in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Bezugsvergütung gemäß Abs. 2 und dem Bezugsentgelt gemäß Abs. 3. Die Besitzstandszulage wird bis zur Aufzehrung bezahlt..."
Anhang 2 Teil A Abs. 5, Unterabsatz 2 zum ETV-D-AG lautet:
"Für den Fall, dass der Angestellte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses EVT und aufgrund der vor diesem Zeitpunkt für ihn anzuwendenden Regelungen der Anlage 2 zum TV Ang/TV Ang-O bezogen auf die im Feststellungsvermerk dokumentierte Bewertung bzw. Tätigkeit noch eine Grundvergütung nach einer höheren Vergütungsgruppe (Erfüllung einer Bewährungszeit und/oder von einem Zeitablauf) erhalten könnte, ist für den Angestellten zum Zeitpunkt der fiktiven Höhergruppierung der Besitzstand gemäß Abs. 1 neu festzusetzen. Die Feststellung der Vergütungsgruppe und des fiktiven Eingruppierungsverlaufs erfolgt in einem Feststellungsvermerk nach den Regelungen der Anlage 6 zu diesem Anhang. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn der beamtenbewertete Arbeitsposten des Angestellten nach dem 01.09.2003 fiktiv höher bewertet wird. Eine solche fiktive Höherbewertung des Arbeitspostens ist nur einmal um eine Bewertungsgruppe bezogen auf die am 31.08.2003 im Feststellungsvermerk dokumentierte Bewertung des Arbeitspostens möglich...."
Die zwischen den Tarifvertragsparteien abgestimmten einführenden Hinweise vom 27.06.2003 zur Einführung des TV Nummer 95 enthalten u.a. folgende Regelungen:
"...
Zu § 30:
Tätigkeitswechsel werden im Besitzstand nicht nachgezeichnet...
...
3 Vorgehensweise
...
3.3. Vermerk zur Feststellung des Besitzstandes Vergütung (Anlage 2)
....Zur Fortschreibung des Besitzstandes "Vergütung" bei Höherbewertung eines beamtenbewerteten Arbeitspostens nach dem 01.09.2003 (01.09.2003 (nach Anhang 2, Teil A, Abs. 5 UAbs. 2, Satz 3) werden zu gegebener Zeit Verfahrensregelungen herausgegeben. Bis dahin sind Höherbewertungen nur nach vorheriger Zustimmung durch die zuständige Ressourcensteuerung in Absprache mit der Abteilung 512 durchzuführen...."
Derartige Verfahrensregelungen sind in der Folge nie zustande gekommen.
Kraft Feststellungsvermerk vom 01.09.2003 wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 3 EVT-D-AG aufgrund der von ihr zum Stichtag 31.08.2003 ausgeübten Tätigkeit als "Annahmekraft" nach dem Richtbeispiel "Großeinlieferung (Annahmekraft")" eingruppiert. Nach den Besitz- und Rechtsstandsregelungen des Anhangs 2 ETV-D-AG wurde eine "Besitzstandszulage Vergütung" nach der fiktiven Vergütungsgruppe Vc TV AG, in der die Klägerin vor dem 01.09.2003 eingruppiert war, für sie festgesetzt. Die Klägerin hatte die höchste Vergütungsgruppe (Aufstiegsvergütungsgruppe) entsprechend ihrer zum 31.08.2003 zugrunde zu legenden Tätigkeit als "Annahmekraft A 7" erreicht. Nach entsprechender Bewerbung wechselte die Kläger...