Entscheidungsstichwort (Thema)

mittelbare Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft. „sehr gutes Deutsch”

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anforderung „sehr gutes Deutsch” in einer Stellenanzeige für „Spezialist Software (w/m)” kann je nach den Umständen des Einzelfalls eine Indiztatsache für die mittelbare Benachteiligung eines nicht zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerbers mit „Migrationshintergrund” wegen dessen ethnischer Herkunft sein.

Dabei ist aber auf die Stellenanzeige als Ganzes abzustellen. Gegen eine Bewertung als Indiztatsache spricht daher, wenn sich bereits aus der Stellenanzeige ergibt, dass die Anforderungen an die Sprachfähigkeit durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen sein könnten.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 11, 15, 22, 3, 7

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 23.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 7205/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.02.2011, Az. 2 Ca 7205/10, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung.

Die Klägerin ist am 07.09.1961 unter dem Namen G. V. K. in V. Vo. in der damaligen Sowjetunion auf dem Gebiet des heutigen Russland geboren. Sie besuchte die Mittelschule in V. Vo. und studierte von 1978 bis 1984 im damaligen Leningrad. Von 1984 bis 1998 war sie sodann als Systemprogrammiererin in Moskau tätig. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 63 bis 76 d. A. verwiesen. Nachfolgend übersiedelte die Klägerin nach Deutschland. Vom 03.01.2000 bis 31.07.2000 war sie als Anwendungsentwicklerin bei der Firma SO. GmbH H. beschäftigt, vom 18.09.2000 bis 31.03.2003 als Programmiererin bei der Firma Sc. Computersysteme GmbH, E.. Seither ist sie arbeitslos.

Die Klägerin verfügt unstreitig über sehr gute Deutschkenntnisse.

Die Beklagte veröffentlichte am 10.09.2010 eine Stellenanzeige für einen Arbeitsplatz „Spezialist Softwareentwicklung (w/m)”. Die Anzeige lautet auszugsweise wie folgt:

„S. ist ein international tätiges Entwicklungshaus im Bereich embedded Systems und ist Mitglied der GROUP S… TECHNOLOGIES SA. Mit einem Umsatz von 50 Mio. Euro und rund 600 Mitarbeitern ist der Konzern einer der führenden Dienstleister im Bereich der Elektronikentwicklung in Europa.

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  • • Erfahrung in C/C++
  • • Entwicklungsumgebung/Programmiersprachen: C
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  • • Softwaredesign, Erstellung von software design specifications, UML Modellierung sind wünschenswert
  • • Sehr gutes Deutsch und gutes Englisch

Unser Angebot:

  • • Sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten
  • • Ein vielseitiges und herausforderndes Aufgabengebiet
  • • Einsatz bei namhaftem Unternehmen

…”

Wegen der Einzelheiten der Stellenanzeige wird auf Bl. 7 d. A. Bezug genommen.

Hierauf hat sich die Klägerin mit E-Mail vom 13.09.2010 bei der Beklagten beworben (Bl. 61 d. A.). Der Eingang der Bewerbung wurde durch E-Mail der Beklagten vom 14.09.2010 unter der Zusage der sorgfältigen Prüfung der Unterlagen bestätigt (Bl. 77 d. A.). Mit E-Mail vom 28.09.2010 (Bl. 8 d. A.) erteilte die Beklagte der Klägerin eine Absage.

Die Klägerin war erstinstanzlich der Auffassung, die Beklagte müsse ihr sechs Monatsgehälter als Entschädigung für die erfolgte Benachteiligung zahlen. Aufgrund der vorliegenden Umstände sei eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihrer russischen Herkunft zu vermuten. In der Stellenausschreibung werde „sehr gutes Deutsch” verlangt. Damit wäre eine benachteiligende Behandlung der Klägerin aufgrund ihrer Herkunft indiziert. Darüber hinaus sei auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts der Klägerin zu vermuten. Auch sei eine Diskriminierung wegen des Alters der Klägerin von 49 Jahren nicht ausgeschlossen.

Wegen des Weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin Indizien, die eine unzulässige Benachteiligung vermuten ließen, weder schlüssig vorgetragen noch unter Beweis gestellt habe. Weder in der Stellenausschreibung, noch im Absageschreiben der Beklagten seien Anhaltspunkte gegeben, aus denen sich...

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