Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung wegen Teilzeitarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen ( § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).
2. Schließt ein Tarifvertrag die tarifliche Altersfreizeit von zwei Stunden wöchentlich für Vollzeitbeschäftigte für Teilzeitbeschäftigte aus, liegt eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen der Teilzeit vor. Diese Ungleichbehandlung führt zu einem geringeren Monatsentgelt und zu einer höheren körperlichen Belastung des Teilzeitbeschäftgten, ohne dass es dafür sachliche Rechtfertigungsgründe gäbe. Die entsprechende Tarifklausel ist daher unwirksam.
Normenkette
BGB § 133; TzBfG § 4 Abs. 1; ZPO § 256; BGB § 134; MTV für die feinkeramische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland § 2a Nr. 1 Abs. 1 Fassung: 2008-09-08
Verfahrensgang
ArbG Weiden (Entscheidung vom 02.04.2019; Aktenzeichen 1 Ca 117/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 23.05.2019 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 02.04.2019 - Aktenzeichen 1 Ca 117/17 - abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem September 2016 entsprechend der tariflichen Regelung des § 2 a des Manteltarifvertrages für die feinkeramische Industrie der Bundesrepublik Deutschland vom 08.09.2008 (TR 4-31 a 43) eine Stunde je Woche von der Arbeitspflicht freizustellen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf tarifliche Altersfreizeit durch Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Klägerin.
Die am 14.07.1958 geborene Klägerin ist seit 01.10.2007 bei der Beklagten als Produktionshelferin in Teilzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.032,75 € beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten findet der Manteltarifvertrag für die feinkeramische Industrie der Bundesrepublik Deutschland kraft beidseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt 38 Stunden nach § 2 Ziffer 1 a.) MTV.
Der MTV sieht In § 2a Altersfreizeit - soweit hier von Interesse - vor:
1. Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine Altersfreizeit von 2 Stunden je Woche.
Diese Regelungen gelten nicht für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit leisten sowie für Arbeitnehmer, deren vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit unter der Arbeitszeit liegt, die sich aus § 2 Ziffer 1 a.) ergibt.
2. Die Altersfreizeiten sind zu vollen Freischichten zu bündeln. Die Lage der Freischichten wird im Einvernehmen zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat nach den Bedürfnissen des Betriebes festgelegt. Wünsche der Arbeitnehmer sollen im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten berücksichtigt werden.
Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht, so fallen die Altersfreizeiten jeweils in der 1. bzw. in der 3. Woche eines Monats auf den Mittwoch. Der Stundenausgleich ist dabei gegebenenfalls zu berücksichtigen.
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5. Für die Arbeitszeit, die infolge einer Altersfreizeit ausfällt, wird das Arbeitsentgelt fortgezahlt, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, einschließlich der tariflichen Schichtzuschläge, jedoch ohne alle sonstigen manteltariflichen Zuschläge und Zulagen.
6. Die Altersfreizeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grunde, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Kuren, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit nicht arbeitet. Macht der Arbeitnehmer von einer Altersfreizeit keinen Gebrauch, so ist eine Nachgewährung ausgeschlossen.
Die Klägerin hat am 14.07.2016 das 58. Lebensjahr vollendet.
Sie hat bei der Beklagten den Anspruch auf die tarifliche Altersfreizeit mit Schreiben vom 20.12.2016 (Blatt 12 der Akte) geltend gemacht. Die Beklagte hat den Anspruch zurückgewiesen.
Mit Klageschrift vom 31.01.2017, bei Gericht eingegangen per Fax am gleichen Tag, hat die Klägerin den Anspruch gerichtlich geltend gemacht.
Hinsichtlich des streitigen Sachvortrags und der erstinstanzlich gestellten Klageanträge wird auf den Tatbestand der angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Das Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Klägerin entsprechend den tarifvertraglichen Vorschriften als Teilzeitbeschäftigte keinen Anspruch auf die Altersfreizeit nach § 2 a Ziff. 1, Abs. 1 des Manteltarifvertrages habe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Altersfreizeit aus dem Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG in Verbindung mit § 2 a Ziff. 1 Abs. 1 MTV. Die unterschiedliche Behandlung v...