Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des marktüblichen Zinssatzes für die Verzinsung noch nicht ausgezahlten Versorgungskapitals
Leitsatz (redaktionell)
Sieht eine Betriebsvereinbarung, die die ratenweise Auszahlung von Versorgungskapital regelt, die Verzinsung noch nicht ausgezahlter Beträge mit einem "marktüblichen Zinssatz" vor, so ist hinsichtlich der Höhe dieses Zinssatzes auf die Rendite von Bundesanleihen, insbesondere von börsennotierten Bundeswertpapieren abzustellen.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 133
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 03.12.2013; Aktenzeichen 4 Ca 3949/13) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 03.12.2013 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.962,24 € (in Worten viertausendneunhundertzweiundsechzig 24/100 Euro) zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 5/9, die Beklagte trägt 4/9.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Verzinsung einer kapitalisierten Altersversorgung.
Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt.
Bei der Beklagten besteht eine sog. "Deferred Compensation Regelung". Diese Regelung bietet die Möglichkeit, sich Teile des Einkommens nicht auszahlen zu lassen, sondern zum Aufbau eines Ruhegeldkontos zu verwenden (Entgeltumwandlung).
Die Beklagte und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat erstellten Auszahlungsrichtlinien zur "Deferred Compensation" (DC). Darin heißt es:
2.1 Auszahlung in Raten, ratenlaufzeitabhängige, marktübliche Verzinsung
2.1.1 Das Versorgungskapital ... wird nach Eintritt des Versorgungsfalls grundsätzlich in max. 12 Jahresraten ausgezahlt.
...
2.1.2 Die erste Jahresrate wird ... zum auf den Versorgungsfall folgenden 31. März fällig. ...
2.1.3 Das noch nicht ausgezahlte Versorgungskapital in Höhe des Erlöses aus dem Verkauf der Geldmarktfondsanteile abzgl. Abzugssteuern wird mit einem marktüblichen Zinssatz p.a. verzinst, der abhängig ist von der durchschnittlichen Ratenlaufzeit. Das Unternehmen legt diesen Zinssatz jeweils im Februar vor Auszahlung der ersten Rate für jede Ratenanzahl (2 bis 12 Raten) fest. Die Festlegung ist verbindlich für die Auszahlung aller Raten dieser Versorgungsberechtigten.
Im Hinblick auf den anstehenden Eintritt des Klägers in den Ruhestand übersandte die Beklagte ihm im Mai 2011 ein mit "Versorgungsprognose bAV" überschriebenes Papier (Bl. 17 d.A.). Danach war bei 12 Raten von einer Verzinsung von 2,54 % auszugehen.
Der Kläger entschied sich für die Auszahlung des Kapitals in 12 Jahresraten.
Der Kläger schied mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 28.11.2011 aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten aus. Zum Stichtag 31.01.2012 betrug das Versorgungskapital 363.534,48 €.
Die Beklagte übersandte dem Kläger unter dem 15.03.2012 einen endgültigen Ratenauszahlungsplan (Bl. 18 d.A,), der einen Zinssatz von 0,87 % vorsah. Entsprechend diesem Plan nahm die Beklagte eine Verzinsung auf der Basis von 0,87 % vor.
Nach einer ergebnislosen außergerichtlichen Korrespondenz mit der Beklagten erhob der Kläger am 25.06.2013 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg, mit der er - nach Klageänderung - für den Zeitraum 01.02.2012 bis 31.03.2013 weitere Zinsen von 2,68 % (10.595,74 €) geltend macht.
Mit Endurteil vom 03.12.2013 wies das Erstgericht die Klage ab.
Das Urteil wurde dem Kläger am 07.01.2014 zugestellt.
Der Kläger legte gegen das Urteil am 03.02.2014 Berufung ein und begründete sie am 07.03.2014.
Der Kläger macht geltend, der marktübliche Zinssatz liege bei mindestens 3,55 % p.a.. Er führt aus, darunter sei ein Zinssatz für Geldanlagen zu verstehen, die üblicherweise für eine Altersvorsorge gewählt würden, d.h., eine Geldanlage, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Ziel einer möglichst hohen Rendite auf der einen Seite und einer angemessenen Sicherheit auf der anderen Seite beinhalteten.
Der Kläger macht geltend, die von der Beklagten angenommene Verzinsung widerspreche dem Erfordernis der Wertgleichheit des § 1 Absatz 2 Nr. 3 BetrAVG. Es gehe um die Frage, ob es genüge, dass der Arbeitgeber die umgewandelten Entgeltanteile ansammle, oder ob eine versicherungsmathematische Betrachtung vorzunehmen sei. Hiervon sei auszugehen, da die Beklagte die Möglichkeit habe, mit dem vom Kläger angesparten Modell zu arbeiten und Renditen zu erzielen. Es erscheine nicht ungerecht, den Mindestzinssatz an der Eigenkapitalrendite des Arbeitgebers auszurichten. Dieser habe bei der Beklagten im Jahr 2012 bei 25 % gelegen. Zumindest habe eine Verzinsung in Höhe des Garantiezinssatzes der Lebensversicherer zu erfolgen. Hinsichtlich ihrer Geldanlagemöglichkeiten sei die Beklagte mit einem Lebensversicherer vergleichbar.
Wie der Beklagten habe klar sein müssen, habe er aus wirtschaftlichen Gründen - die hohe Steuerbelastung - keine ernsthafte freie Wahl gehabt, sich das Kapital a...