Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Einsicht in seine Personalakte im Beistand eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Anspruch eines Arbeitnehmers auf Einsicht in die Personalakte im Beisein eines anwaltlichen Vertreters.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 83 BetrVG regelt das Einsichtsrecht eines Arbeitnehmers in seine Personalakte während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ausschließlich und abschließend.

2. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht einem Arbeitnehmer aufgrund einer Ausstrahlung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Schutz- und Rücksichtnahmepflichten des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf ein nachvertragliches Einsichtsrecht in seine vom ehemaligen Arbeitgeber weiter aufbewahrte Personalakte zu.

3. Bei dem Recht auf Personalakteneinsicht handelt es sich um ein nur dem Arbeitnehmer höchstpersönlich zustehendes Recht.

 

Normenkette

BetrVG § 83

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 14.01.2014; Aktenzeichen 10 Ca 719/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.07.2016; Aktenzeichen 9 AZR 791/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 14.01.2014 wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Einsicht in seine Personalakte im Beisein seiner anwaltlichen Vertreterin gewährt werden muss.

Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten zu 1) als Lagerist mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.250,00 EUR tätig. Am 01.02.2014 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2).

Am 21.03.2013 erteilte die Beklagte zu 1) dem Kläger eine Ermahnung.

Bezugnehmend auf die Ermahnung beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 05.04.2013 bei der Beklagten zu 1) Einsicht in dessen Personalakte. Die Beklagte zu 1) meldete sich daraufhin bei der anwaltlichen Vertreterin des Klägers und erklärte, dass eine Einsicht durch die anwaltliche Vertreterin aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 06.05.2013 beantragte die anwaltliche Vertreterin des Klägers, "mir mit und für meinen Mandanten A... Einsicht in die Personalakte zu geben". Mit E-Mail vom 13.05.2013 teilte die Beklagte zu 1) mit, dass die Einsichtnahme in die Personalakte ein höchstpersönliches Recht des Arbeitnehmers sei, welches grundsätzlich nur er selbst und nicht dessen Bevollmächtigte ausüben könnten. Herr A... könne sich seine Akte ansehen, sich (auszugsweise) Kopien machen und dabei auch gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen. Die Hinzuziehung Dritter, auch einer bevollmächtigten Rechtsanwältin, werde abgelehnt.

Der Kläger trägt erstinstanzlich vor, dass er einen Anspruch auf Einsicht in seine Personalakte in Anwesenheit seiner Rechtsanwältin habe. § 83 BetrVG schließe die Einsicht durch einen Bevollmächtigten nicht aus. Ein Recht auf Einsicht in seine Personalakte könne er auch einem Dritten übertragen. Die Personalakte solle lediglich Dritten nicht zugänglich sein. Der beauftragte Rechtsanwalt sei jedoch zur Verschwiegenheit verpflichtet und auch nicht Dritter, sondern Berater des Arbeitnehmers. Ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers sei nicht ersichtlich. Dagegen fehlten ihm die Rechtskenntnisse, um zu erkennen, welche Daten der Arbeitgeber speichern dürfe und welche nicht. Wenn es dem Arbeitnehmer zustünde, Kopien anzufertigen, die er dann seinem anwaltlichen Vertreter übergeben könne, sei dies eine unnötige Förmelei, die Zuziehung des Rechtsanwaltes zu verhindern.

Mit seiner am 17.05.2013 erhobenen Klage beantragt der Kläger, ihm mit seiner anwaltlichen Vertreterin Einsicht in die Personalakte zu gewähren.

Die Beklagte zu 1) trat diesem Antrag mit der Begründung entgegen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Einsicht in seine Personalakte in Anwesenheit seiner Rechtsanwältin. Ein derartiger Anspruch folge nicht aus § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Der Anspruch auf Akteneinsicht sei ein höchstpersönlicher Anspruch und könne nur vom Arbeitnehmer selbst ausgeübt werden. Eine Ausnahme dergestalt, dass der Kläger aus gesundheitlichen, körperlichen oder geistigen Gründen nicht in der Lage sei, sich selbst über den Inhalt der Personalakte zu informieren und deren Inhalt zu verstehen, liege nicht vor. Als höchstpersönlicher Anspruch könne der Anspruch auf Akteneinsicht nur vom Arbeitnehmer selber ausgeübt werden.

Mit Endurteil vom 14.01.2014 hat das Arbeitsgericht Würzburg die Klage abgewiesen.

Das Arbeitsgericht verneinte einen Anspruch des Klägers auf Einsicht in seine Personalakte in Anwesenheit seiner Rechtsanwältin.

Es führte dabei aus, dass die Frage, ob ein Arbeitnehmer einen Anspruch darauf habe, sich bei Einsichtnahme in seine Personalakte von einem Rechtsanwalt begleiten zu lassen, in Rechtsprechung und Literatur kontrovers gesehen werde. Nach einer Auffassung könne der Arbeitnehmer einen Dritten, zum Beispiel einen Rechtsanwalt damit beauftragen, für ihn...

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