Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei einer sog. "Anlasskündigung" i.S.d. § 8 Abs. 1 EFZG. Darlegungs- und Beweislast für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei einer "Anlasskündigung"
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer sog. "Anlasskündigung", die aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgt, besteht der Entgeltfortzahlungsanspruch über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Der Begriff "Anlass" ist weit auszulegen. Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat.
2. Darlegungs- und beweispflichtig für den aus einer "Anlasskündigung" folgenden Entgeltfortzahlungsanspruch ist der Arbeitnehmer. Ihm kommt der Anscheinsbeweis zu Gute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Der Arbeitgeber kann diesen Anscheinsbeweis durch entsprechenden Sachvortrag erschüttern und muss ggf. entsprechenden Beweis antreten.
Normenkette
EFZG § 8; BGB § 611a; EFZG § 3 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 25.09.2018; Aktenzeichen 7 Ca 1354/18) |
Tenor
I. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg - Gerichtstag Weißenburg - vom 25.09.2018 - 7 Ca 1354/18 - wird abgeändert.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens der 1. Instanz und der Berufung trägt der Kläger.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlungsansprüche nach Ablauf der Kündigungsfrist.
Der Kläger arbeitete bei der Beklagten als Radladerfahrer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Bruttostundenlohn in der Probezeit von 12,50 € zu im Übrigen den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 11.9.2017.
Der zum Steinmetz ausgebildete Kläger konnte nicht Radlader fahren. Er erhielt zu Beginn seiner Beschäftigung eine entsprechende Einweisung auf einem Fahrzeug der Beklagten. Er hatte einen ersten Unfall mit dem Fahrzeug am 25.09.2017. Dabei riss er einen Kotflügel des Radladers ab. Am 06.10.2019 hatte er einen zweiten Unfall. Diesmal beschädigte er das Kontergewicht des Radladers. Daraufhin kam es auf Bitten des Klägers zu einem Gespräch mit dem Mitarbeiter M... V..., Leiter der Spalthalle der Beklagten und Stellvertreter des Leiters des Steinbruchs. In diesem Gespräch stellte der Kläger die Frage, ob es noch Sinn mache. Der Mitarbeiter V... meinte, dies komme öfter vor, er sei aber fleißig und solle besser aufpassen.
Am Freitag, den 27.10.2017 kam es zu einem weiteren Gespräch mit dem Leiter des Steinbruchs D... V... und dem Mitarbeiter M... V.... Der Verlauf dieses Gespräches ist streitig.
Am Montag und Dienstag, den 30. und 31.10.2017 arbeitete der Kläger. Nach dem Feiertag erkrankte der Kläger am 02.11. und 03.11.2017 arbeitsunfähig. Ab Montag, den 06.11.2017 erkrankte der Kläger erneut arbeitsunfähig, bestätigt mit Erstbescheinigung der Zahnarztpraxis Dr. H... vom 06.11. bis Freitag, den 10.11.2017, mit Folgebescheinigung vom 06 (?).11. der Zahnarztpraxis Dr. H... bis Dienstag, den 21.11.2017, mit Erstbescheinigung der Praxis Dr. G... vom 21.11. bis Freitag, den 24.11.2017 und mit Folgebescheinigung der Praxis Dr. G... vom 25.11. bis Freitag, den 01.12.2017.
Mit Mail vom 14.11.2017, 15:32:43 Uhr, teilte F..., Betriebsleitung der Beklagten dem Kläger mit, dass an ihn per Einschreiben die Kündigung versandt worden sei. Mit Schreiben vom 14.11.2017, dem Kläger zugegangen am 15.11.2017, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung unter Wahrung der tariflichen Kündigungsfrist zum 16.11.2017. Mit Schreiben vom 16.11.2015 widersprach der Klägervertreter der Kündigung unter Hinweis darauf, dass Kündigungsgründe nicht ersichtlich seien und auch die Kündigungsfrist nicht eingehalten sei. Die Beklagte wurde aufgefordert die Kündigung bis 24.11.2017 wieder zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 27.11.2017 übersandte der Klägervertreter die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 6.11.2017 und 21.11.2017 an die Beklagte.
Mit Schreiben vom 14.2.2018 machte der Klägervertreter Entgeltfortzahlungsansprüche nach § 8 EFZG geltend und forderte die Beklagte mit Fristsetzung bis 28.2.2018 zur Lohnfortzahlung über den 16.11.2017 hinaus auf. Mit Bescheid vom 18.12.2017 gewährte die Krankenkasse des Klägers diesem Krankengeld ab Dienstag, den 28.11.2017.
Mit Schreiben vom 6.3.2018 lehnte der Beklagtenvertreter Zahlungen an den Kläger auch unter Hinweis auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist ab.
Mit Klage vom 12.3.2018, der Beklagten zugestellt am 19.3.2018, verfolgte der Kläger den Anspruch weiter. Der Kläger machte in der ersten Instanz geltend, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der Anspruch sei gemäß den tarifvertraglichen Regelungen verfallen, die Ablehnung der Beklagten mit Schreiben vom 30.11.2017 erfolgte bereits vor Fälligkeit des Anspruchs. Im Übrigen seien mit dem vorhergehenden Schreiben vom 27.11.2017 l...