Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung. Betriebsbedingte Kündigung: Unternehmerische Entscheidung. Betriebsstilllegung
Leitsatz (redaktionell)
Allein der unternehmerische Entschluss, einen Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt zu kündigen, ist keine hinzunehmende Unternehmerentscheidung i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Insoweit reicht es nicht aus, lediglich auf einen Gesellschafterbeschluss zu verweisen, wonach die Mitarbeiter unverzüglich unter Einhaltung der jeweils geltenden ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden sollten.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 29.07.2003; Aktenzeichen 9 Ca 349/03 A) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 29.07.2003, Aktenzeichen: 9 Ca 349/03 A, in Ziffern 2. und 3. abgeändert.
II. Ziffer 2. des arbeitsgerichtlichen Urteils lautet:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte zu ¾ und die Klägerin zu ¼.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin vom 03.02.2003 zum 31.07.2003 sowie über die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin.
Die 42-jährige, verheiratete und für eine Tochter unterhaltspflichtige Klägerin war bei der Beklagten seit 12 Jahren als Näherin, zuletzt in Teilzeit, beschäftigt. Ihre durchschnittliche monatliche Bruttovergütung betrug etwa EUR 1.000,–.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Bekleidungsunternehmen, welches Betriebe in K. und M. sowie im Ausland hat. Der Betrieb in M. gliederte sich in die Produktions- und die Musterabteilung. Die Klägerin war in der Produktionsabteilung als Näherin eingesetzt.
Die Beklagte stützt ihre Kündigung darauf, dass die Geschäftsleitung am 20.01.2003 beschlossen habe, die Produktionsabteilung im Betrieb in M. wegen Unrentabilität stillzulegen und die Näharbeiten an ausländischen Standorten erledigen zu lassen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 03.02.2003 nicht aufgelöst wird sowie auf vorläufige Weiterbeschäftigung in vollem Umfang stattgegeben. Mangels entsprechenden Sachvortrages der Beklagten sei die soziale Auswahl infolge nicht substantiiert vorgetragenen auswahlrelevanten Personenkreises als fehlerhaft anzusehen. Das Gericht habe davon ausgehen müssen, dass eine soziale Auswahl unter den Arbeitnehmerinnen der Produktions- und der Musterabteilung vorzunehmen gewesen wäre. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung lässt die Beklagte vortragen, es sei Sache des Arbeitnehmers, die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt erscheinen ließen. Dieser Verpflichtung sei die Klägerin nicht nachgekommen. Eine soziale Auswahl der Mitarbeiter in der Produktionsabteilung im Verhältnis zu den Mitarbeitern in der Musterabteilung sei nicht vorzunehmen gewesen, weil die Mitarbeiter nicht miteinander vergleichbar gewesen seien. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei auch entfallen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 20.01.2003 habe die Geschäftsleitung der Beklagten sich entschlossen, die Produktionsabteilung M. zum 30.09.2003 endgültig zu schließen. Alle Arbeitnehmer hätten unverzüglich unter Einhaltung der jeweils geltenden ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden sollen. Von der Schließung habe die Musterabteilung zunächst ausgenommen bleiben sollen. Die unternehmerische Entscheidung sei nicht willkürlich, sie habe vielmehr auf dem Umsatzrückgang und dem in M. ständig anfallenden Verlust beruht. Die Gesamtproduktion habe allein durch die Auslandsstandorte erbracht werden können. Der Geschäftsleitung sei bewusst gewesen, dass aufgrund der unterschiedlich langen Kündigungsfristen manche Mitarbeiterinnen bereits vor dem Stilllegungstermin am 30.09.2003 ausscheiden würden. Von dem geringen Gesamtauftragsvolumen seien jeweils gerade so viele Arbeiten nach M. delegiert worden, um die jeweils noch vorhandene Anzahl von Mitarbeiterinnen halbwegs sinnvoll beschäftigen zu können. Es seien also die unrentablen Arbeiten in M. in dem Maße reduziert worden, wie dies mit Ablauf der verschiedenen Kündigungsfristen möglich gewesen sei. Infolge der unverzüglichen Kündigungen hätten sich die in M. zahlenden Lohnminuten im Zeitraum April bis September 2003 auf 277.598,20 reduziert.
Die Beklagte beantragt:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – mit dem Aktenzeichen: 9 Ca 349/03 A wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Klägerin beantragt:
- Die Berufung wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat auch die weiter...