Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf Tarifrecht. Bezugnahmeklausel. Gleichstellungsabrede. Teil-Bezugnahme. Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede. Teil-Bezugnahme auf Vergütung
Leitsatz (amtlich)
Die Auslegung einer Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede verlangt nicht, dass von dem tarifgebundenen Arbeitgeber das gesamte für ihn geltende Tarifrecht in Bezug genommen wird. Die Bezugnahmeklausel kann sich auch auf Teilbereiche des Tarifrechts - hier Vergütungssektor - beschränken.
Normenkette
TVG §§ 3-4; BGB § 611; GG Art. 2
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 31.07.2009; Aktenzeichen 6 Ca 6007/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 31.07.2009, Az.: 6 Ca 6007/08, abgeändert.
2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Vergütungsansprüche sowie die weitere vertragsgerechte Vergütung.
Der Kläger ist bei der Beklagten auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16./30.10.1995 (Kopie Bl. 5-7 d.A.) ab dem 25.10.1995 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt und bezieht zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von EUR 3.663,91.
Die Vergütung wurde in dem Arbeitsvertrag wie folgt geregelt:
Als Vergütung für die Tätigkeit erhalten Sie ein am letzten Arbeitstag jeden Monats zahlbares Bruttogehalt nach Tarifgruppe 5/4 in Höhe von DM 5.400,--.
Tarifgehalt: DM 4.848,-- / Außertarifliche Zulage: 552,-- / Gesamtsumme: DM 5.400,--.
Die nach drei Monaten auszuweisende Leistungszulage ist bereits in der AT-Zulage enthalten.
Wir sind berechtigt, die Leistungszulage zu kündigen oder bei einer Einstufung in eine andere Tarifgruppe neu festzulegen und die außertarifliche Zulage jederzeit ganz bzw. teilweise zu widerrufen oder bei einer Neufestsetzung Ihrer Bezüge ganz bzw. teilweise aufzurechnen.
Die keinem Arbeitgeberverband angehörige Beklagte schloss mit der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung München, am 26.06.1995 einen Werktarifvertrag/Anerkennungstarifvertrag (Kopie Bl. 39-42 d.A.), der zum 01.07.1995 in Kraft getreten ist.
In diesem Werktarifvertrag werden u.a. die Manteltarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und für die Angestellten der Bayerischen Metallindustrie in der Fassung vom 01.04.1994 in Bezug genommen sowie mit Wirkung ab dem 01.01.1996 die Lohn-, Gehalts- und Ausbildungstabellen in der Fassung vom 01.11.1995.
Mit Zusatztarifvertrag vom 14.01.1997 (Kopie Bl. 8 d.A.) wird u.a. die Wochenarbeitszeit ab dem 01.10.1997 auf 35 Stunden verkürzt und auf den Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom 12.12.1996 verwiesen.
Mit weiterem Zusatztarifvertrag vom 01.10.1998 (Kopie Bl. 43, 44 d.A.) wird u.a. geregelt, dass die kommende Lohn-/Gehaltserhöhung 1999 ungekürzt weitergegeben, für das Jahr 1999 die Hälfte der Sonderzahlungen gezahlt und die Lohn-/Gehaltserhöhung 1999 auf die zu zahlenden Sonderzahlungen angerechnet werden. Ab 01.01.2000 sollen alle tariflichen Bestimmungen wieder uneingeschränkt gelten.
Sämtliche Tarifverträge wurden seitens der Beklagten mit Schreiben vom 25.09.2001 (Kopie Bl. 9 d.A.) fristgerecht zum 31.12.2001 gekündigt.
In der Folgezeit gab die Beklagte die Tariferhöhungen nach den Verbandstarifverträgen der Bayerischen Metallindustrie nicht weiter.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.05.2008 (Bl. 10, 11 d.A.) begehrt der Kläger ab dem 01.01.2005 die Nachzahlung der Differenz zu dem jeweiligen Tarifentgelt der Tarifgruppe 5, 4. Gruppenjahr entsprechend den jeweiligen Regelungen in den Gehaltstarifverträgen der Bayerischen Metallindustrie sowie die Differenz zu den jeweils tarifvertraglich geregelten jährlichen Sonderzahlungen (hier: Urlaubsgeld, anteiliges 13. Monatsgehalt).
Mit seiner am 22.09.2008 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichen Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren gerichtlich weiter.
Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 31.07.2009 die Klage abgewiesen, soweit restliche Vergütungsansprüche für die Monate Januar 2005 bis Januar 2008 geltend gemacht worden sind, da solche Ansprüche aufgrund der Verfallfrist des in Bezug genommenen Manteltarifvertrages verfallen sind. Für die Zeit ab dem 01.02.2008 ist den Zahlungsanträgen weitgehend entsprochen worden. Dies mit der Begründung, der Arbeitsvertrag des Klägers enthalte eine dynamische Bezugnahme auf die Vergütungstarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Anrechnungsklausel sei nach § 308 Ziffer 4 BGB rechtsunwirksam, da der Grund der Aufrechnungsbefugnis nicht konkretisiert sei. Wegen der Erhöhung der Wochenarbeitszeit schulde die Beklagte 40/35 des jeweiligen Tarifentgelts.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 01.12.2009 zugestellte Urteil haben diese mit...