Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsrecht. Personalratsbeteiligung. Kündigungsentscheidung. Unwirksame außerordentliche Kündigung eines kommunalen Verwaltungsangestellten bei fehlerhafter Beteiligung des Personalrats

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die ordnungsgemäße Beteiligung des bei einer Gemeinde bestehenden Personalrats i.R.d. Art. 77 Abs. 3 BayPVG gebietet es, das Anhörungsverfahren zeitlich vor der Beschlussfassung des zuständigen Gemeinderats (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO) über den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Angestellten der Gemeinde durchzuführen und dem kündigungsberechtigten Gemeindeorgan die Stellungnahme des Personalrats vorzulegen.

2. Eine ohne Beachtung dieses Verfahrens ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist rechtsunwirksam, Art. 77 Abs. 4 BayPVG.

 

Normenkette

BayGO §§ 37, 43; BGB § 626; BayPVG Art. 7, 70, 72, 77; BGB § 626 Abs. 1; BayPVG Art. 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Art. 70 Abs. 1 Sätze 4-5, Art. 72 Abs. 1 S. 3, Art. 77 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 4; BayGO § 37 Abs. 1, 4, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 06.07.2010; Aktenzeichen 13 Ca 127/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.02.2013; Aktenzeichen 2 AZR 433/12)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.07.2010, Az.: 13 Ca 127/10, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche Arbeitgeberkündigung vom 18.12.2009.

Der am 13.05.1963 geborene Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 01.04.1998 als Verwaltungsangestellter beschäftigt, zuletzt in der Funktion des Leiters der EDV gegen ein Bruttomonatseinkommen von durchschnittlich EUR 3.700,--.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung.

Wegen des Verdachts der Arbeitszeitmanipulation durch unzulässige telefonische Eingaben in das Zeiterfassungssystem vor Dienstantritt wurde dem Kläger, der zur damaligen Zeit Ersatzmitglied im Personalrat war, nach einer Befassung des Gemeinderats am 29.06.2009 von dem Beklagten mit Schreiben vom 01.07.2009 der Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten (Bl. 71 d.A.).

Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen, weshalb von dem Beklagten weitere Ermittlungen durchgeführt worden sind. Zu den weiteren Ermittlungsergebnissen wurde der Kläger mit Schreiben vom 11.11.2009 angehört (Bl. 78-80 d.A.) und hat hierzu mit Schreiben vom 19.11.2009 (Bl. 81-87 d.A.) schriftlich Stellung genommen.

Auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung vom 02.12.2009 wurde als Punkt 3.3 aufgenommen:

H... S...: Beratung und ggf. Beschlussfassung über arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Wegen der fortgeschrittenen Sitzungsstunde wurde die Gemeinderatssitzung vor der Befassung mit dem Tagesordnungspunkt 3.3 auf den 08.12.2009 vertagt. Auf dieser Sitzung beschloss der Gemeinderat die außerordentliche Kündigung des Klägers.

Mit Schreiben vom 14.12.2009 (Bl. 90-94 d.A.) hörte daraufhin der Bürgermeister der Gemeinde den bei ihr bestehenden Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an.

Dieser verweigerte mit Schreiben vom 17.12.2009 die Zustimmung und rügte die nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Personalvertretung vor der Entscheidung des Marktgemeinderats (Bl. 95, 96 d.A.).

Der Beklagte kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 18.12.2009 (Bl. 97-99 d.A.) außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

Der Kläger hat hiergegen mit Telefax vom 04.01.2010 Kündigungsschutzklage erhoben, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 19.12.2009 geltend gemacht und seine tatsächliche Weiterbeschäftigung begehrt.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 06.07.2010 der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, von dem Beklagten sei die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 27.07.2010 zugestellte Urteil haben diese mit Telefax vom 12.07.2010 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 25.10.2010 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 18.10.2010 begründet.

Der Beklagte behauptet, aufgrund der Verhaltensweisen des Klägers liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 626 Abs. 1 BGB vor. Der Sonderkündigungsschutz des Klägers nach § 15 KSchG stehe dem nicht entgegen. Von ihm sei auch die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden, denn der Marktgemeinderat als allein kündigungsberechtigtes Organ habe erst anlässlich der Sitzung vom 08.12.2009 von den konkreten Kündigungssachverhalten Kenntnis erlangt. Unmittelbar nach Zugang der Stellungnahme des Personalrats sei das Kündigungsschreiben ausgefertigt und dem Kläger zugeleitet worden.

Der Beklagte ...

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