Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Omnibusfahrer. Alkohol im Dienst. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Auch ein nach gewisser Fahrzeit festgestellter Blut-Alkohol-Wert von „nur” 0,46 Promille kann bei einem Busfahrer, der mit diesem Promille-Wert Personen im öffentlichen Nahverkehr transportiert, die außerordentliche Kündigung ohne vorangegangene Abmahnung rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 30.04.2001; Aktenzeichen 5 Ca 8958/00) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.04.2001 – Az. 5 Ca 8958/00 – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung.
Der am 16.02.1950 geborene, verheiratete Kläger war seit 01.09.1995 bei der Beklagten, einem Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, in deren Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt sind, als Omnibusfahrer mit einem Bruttogehalt von 4.500,– DM beschäftigt.
Am 08.11.2000 missachtete eine Pkw-Fahrerin die Vorfahrt des vom Kläger geführten, mit Fahrgästen besetzten auf einer Linienfahrt befindlichen Omnibusses. Es kam zu einem Unfall, bei dem die Unfallverursacherin, von den Fahrgästen aber keiner verletzt wurde. Ein Verschulden des Klägers an diesem Unfall ist nicht gegeben. Ein Straf- oder Bußgeldverfahren wurde gegen ihn nicht eingeleitet. Die Polizei kontrollierte routinemäßig gegen 7.30 Uhr beim Kläger den Blutalkoholwert mit Alkomat. Sie stellte eine Blutalkoholkonzentration von 0,47 Promille fest. Zwei durchgeführte Blutproben zeigten einen Mittelwert von 0,46 Promille. Der zunächst beschlagnahmte Führerschein wurde dem Kläger am selben Tag wieder ausgehändigt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.11.2000, dem Kläger zugegangen am 14.11.2000, außerordentlich mit sofortiger Wirkung.
Mit seiner am 30.11.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit dieser Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, noch dazu ohne Abmahnung, sei nicht gegeben.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht daher folgenden Antrag gestellt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.11.2000, dem Kläger zugegangen am 14.11.2000, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei wirksam. Die Trunkenheit des Omnibusfahrers bei Ausübung seiner Tätigkeit stelle einen groben und nicht entschuldbaren Verstoß gegen die ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Der Kläger habe während seiner Trunkenheit einen mit Fahrgästen besetzten Bus geführt; hierdurch habe eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Fahrgäste bestanden. Durch dieses unverantwortliche Handeln habe der Kläger sowohl ihr Ansehen als Unternehmen geschädigt als auch die Gefahr erheblicher Regressansprüche heraufbeschworen. Eine Weiterbeschäftigung sei ihr daher auch nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar.
Der Kläger hat erklärt, es habe sich um ein einmaliges Vergehen gehandelt. Er habe am Abend vorher nur zweieinhalb Flaschen Bier getrunken. Seine Ehefrau sei nicht zum vereinbarten Zeitpunkt nach Hause gekommen. Er habe sich Sorgen gemacht und ab 23.00 Uhr nochmals eine Flasche Bier getrunken. Er habe am Folgetag verschlafen, sei statt um 4.30 Uhr um 5.30 Uhr aufgewacht, sei deshalb zu spät zum Dienstantritt erschienen und habe eine andere Linie fahren müssen. Er sei aus diesem Grund gestresst und verunsichert gewesen. Er habe sich in seiner langen Berufslaufbahn nie etwas zuschulden lassen kommen, sei immer sehr zuverlässig gewesen, habe mit dem Alkohol-Trinken nie Probleme gehabt, sei zuverlässig und verantwortungsvoll. Der einmalige Verstoß mit einem Promillegehalt, der weder als Ordnungswidrigkeit geahndet werde noch zum Entzug der Fahrerlaubnis geführt habe, sei als Kündigungsgrund für eine außerordentliche wie ordentliche Kündigung nicht geeignet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Endurteil vom 30.04.2001 abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, ein wichtiger Grund für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sei gegeben. Ein nicht auf Alkoholabhängigkeit beruhender Alkoholmissbrauch im Betrieb sei grundsätzlich an sich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Der Kläger habe durch Antritt der Dienstfahrt in alkoholisiertem Zustand erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Er habe als Berufskraftfahrer die Pflicht, seine Arbeitsfähigkeit nicht durch privaten Alkoholgenuss zu beeinträchtigen. Das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Vorfalls mit Tatsachen belastet, die den Kläger für die Tätigkeit als Omnibusfahrer als unzuverlässig erscheinen ließen. Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten des ...