Entscheidungsstichwort (Thema)

Wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Trunkenheitsfahrt eines Berufskraftfahrers mit Sachschaden als wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer fristlosen Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen, der dem Kündigenden eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Ultima-Ratio-Prinzip folgt sodann eine sorgfältige Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls.

2. Fährt ein Berufskraftfahrer in alkoholisiertem Zustand den firmeneigenen Lkw und verursacht dabei einen Unfall mit erheblichem Sachschaden, begeht er eine gravierende Pflichtverletzung, durch welche er sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer und Güter des Arbeitgebers in Gefahr bringt. Die Pflichtverletzung besteht schon in der Aufnahme und Ausführung der Tätigkeit (Fahren eines Lkws) trotz erheblichen Alkoholkonsums. Die fristlose Kündigung war gerechtfertigt, einer Abmahnung bedurfte es nicht.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 09.07.2020; Aktenzeichen 5 Ca 1587 d/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 09.07.2020 - 5 Ca 1587 d/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung.

Der am ...1955 geborene Kläger arbeitete seit dem 15.07.2014 bei der Beklagten als Berufskraftfahrer. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 01.06.2015 (BI. 33 f. d. A.) zugrunde. Zuletzt betrug die Bruttomonatsvergütung des Klägers 2.300 EUR.

Am 05.11.2019 verursachte der Kläger mit dem ihm zur Verfügung gestellten Lkw einen Unfall. Das Fahrzeug landete im Straßengraben. Es entstand erheblicher Sachschaden. Bei der Unfallfahrt stand der Kläger unter Alkoholeinfluss. Mit Schreiben vom 07.11.2019 (BI. 3 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Der Kläger hat sich mit seiner am 19.11.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Kündigung gewandt. Weder die fristlose noch die hilfsweise fristgemäße Kündigung hätten das Arbeitsverhältnis beendet. Der Kläger hat zwar eingeräumt, dass er Alkohol getrunken hatte und den Verkehrsunfall verursacht hat. Seine Trunkenheit sei aber nicht die Unfallursache gewesen. Vielmehr sei er mit dem Lkw schlicht und einfach auf die Bankette gekommen und dadurch in den Graben gerutscht. Der Kläger hat in seiner Klagschrift behauptet, er sei schwerbehindert. Die Kündigung sei unwirksam, weil die Beklagte die Zustimmung der Fürsorgestelle des Kreises D. nicht eingeholt habe.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe den Unfall unter Alkoholeinfluss verursacht. Unmittelbar nach dem Unfall sei bei dem Kläger ein Atemalkoholwert von 1,46 Promille festgestellt worden. Der Kläger habe den Verkehrsverstoß zugegeben. Die Beklagte hat sich auf eine Kopie einer Verkehrsunfallanzeige vom 05.11.2020 (BI. 35 d. A.) bezogen. Durch ein Schadensgutachten (BI. 38 ff. d. A.) sei festgestellt worden, dass durch den Unfall Reparaturkosten in Höhe von 105.000 € ohne Umsatzsteuer verursacht worden seien. Der Zustimmung des Integrationsamts habe es vor Ausspruch der Kündigung nicht bedurft. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten nicht behauptet, schwerbehindert zu sein. Entsprechende Hinweise oder Unterlagen fehlten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die fristlose Kündigung sei wirksam. Ein wichtiger Grund liege vor. Der Kläger habe seine Pflichten als Berufskraftfahrer verletzt, weil er unstreitig den ihm von der Beklagten gestellten LKW zum Zeitpunkt des Unfalls am 05.11.2019 unter Alkoholeinfluss gelenkt habe. Die Beklagte habe die beiderseitigen Interessen der Parteien hinreichend berücksichtigt. Einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft. Als Berufskraftfahrer habe der Kläger wissen müssen, dass die Beklagte ein Führen ihrer LKWs unter Alkoholeinfluss nicht dulden würde. Der Beklagten sei es aufgrund des erheblichen Fehlverhaltens des Klägers bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer nicht zuzumuten, ihn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterhin als Berufskraftfahrer zu beschäftigen und mögliche weitere Fahrten des Klägers mit ihren LKWs unter Alkoholeinfluss zu riskieren. Dass andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Zustimmung des Integrationsamts habe es nicht bedurft. Der Kläger habe bereits nicht schlüssig dargelegt, dass er in den Schutzbereich der §§ 168 ff. SGB IX falle.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und ihrer im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 15.09.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger bereits am nächsten Tag Berufung eingelegt und diese...

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