Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung zur Verpflichtung zur Einspruchsrücknahme in der Berufungsinstanz. Forderung
Leitsatz (amtlich)
Verpflichtet sich die beklagte Partei wirksam in einem außergerichtlichen Vergleich zur Rücknahme des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid, kann die Klagepartei den entsprechenden Einwand jedenfalls dann in der Berufungsinstanz geltend machen, wenn die Vereinbarung nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz getroffen wurde.
Die beklagte Partei ist auf Antrag zu verurteilen, den Einspruch zurückzunehmen.
Mit Rechtskraft des Urteils gilt die Erklärung gemäß § 894 ZPO als abgegeben.
Die Berufung der Klagepartei auf den Vergleich ist nicht deshalb sittenwidrig, weil die beklagte Partei den Vergleich abgeschlossen hat, um eine drohende Zwangsversteigerung abzuwenden.
Verfahrensgang
ArbG Bayreuth (Urteil vom 06.02.1990; Aktenzeichen 1 Ca 681/89) |
Tenor
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 06.02.1990 – 1 Ca 681/89 – wird abgeändert.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 04.09.1989 (Ba 63/89) zurückzunehmen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Klägerin hat mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Bayreuth – Zweigstelle Pegnitz – vom 11.07.1989 (Az.: M 601/89) Lohnansprüche des Streitverkündeten K. P. G. gegen die Beklagte gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Mit Mahnbescheid vom 15.08.1989 hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 7.379,96 Hauptforderung und DM 1,00 Auslagen verlangt nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.08.1989. Der Mahnbescheid wurde der Beklagten am 16.08.1989 zugestellt. Auf Antrag der Klägerin erließ das Arbeitsgericht am 04.09.1989 Vollstreckungsbescheid in gleicher Höhe, der der Beklagten am 06.09.1989 zugestellt wurde. Durch ein am 05.09.1989 beim Arbeitsgericht eingegangenes Schreiben hat die Beklagte Widerspruch eingelegt, den das Arbeitsgericht als Einspruch gewertet hat.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 23.01.1990 vor dem Arbeitsgericht Bayreuth schlossen die Parteien am 26.01.1990 eine Vereinbarung, wonach sich der Beklagte (und seine Ehefrau) verpflichteten, u. a. einen Betrag von DM 7.800,00 an die Klägerin zu bezahlen unabhängig davon, ob Herr B. Forderungen gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht stellt. Im Rahmen der Vereinbarung verpflichtete sich die Beklagte, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 04.09.1989 (Ba 63/89) zurückzunehmen.
Mit Urteil vom 06.02.1990 hob das Arbeitsgericht Bayreuth den Vollstreckungsbescheid auf und wies die Klage ab. Mit der Berufung erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Vollstreckungsbescheids.
Die Klägerin trägt vor,
da die Beklagte bisher nicht die Rücknahme ein Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid erklärt habe, müsse das Berufungsverfahren betrieben werden.
Die beklagte Partei habe nach der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren den Klägervertreter bedrängt, die Sache sofort aus der Welt zu schaffen, weil der Gerichtsvollzieher seinen Besuch angekündigt hatte. Daraufhin sei die entsprechende Vereinbarung zustande gekommen.
Die Klägerin stellt folgende Anträge:
- Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 06.02.1990 – 1 Ca 681/89 – wird aufgehoben.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 04.09.1989 (Ba 63/89) zurückzunehmen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin zu Ziffer II.
Der Vollstreckungsbescheid des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 04.09.1989 (Ba 63/89) bleibt aufrecht erhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor,
das erstinstanzliche Urteil sei im Ergebnis zutreffend. Hieran ändere auch die nachträglich nach Schluß der mündlichen Verhandlung zwischen dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und dem Inhaber der Beklagten getroffene Vereinbarung nichts. Selbst wenn eine wirksame Verpflichtung zur Einspruchsrücknahme begründet worden wäre, sei eine Einspruchsrücknahme jedenfalls nicht erfolgt. Eine solche Erklärung werde auch nicht abgegeben werden. Abgesehen davon, daß das entsprechende Begehren im ersten Rechtszug zu verfolgen sei, sei die Vereinbarung unter Ausnutzung der Notlage der Beklagte zustande gekommen und verstoße deshalb gegen die guten Sitten. Die Klägerin habe nämlich aus dem Vollstreckungsbescheid vor Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens die Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte betrieben. Zu diesem Zwecke habe der zuständige Gerichtsvollzieher den Inhaber der Beklagten in den Betriebsräumen aufgesucht und verschiedene Mobiliarpfändungen am Betriebsvermögen vorgenommen. Es sei schon Termin zur Zwangsversteigerung in den Betriebsräumen bestimmt worden. Eine Durchführung der öffentlichen Zwangsversteigerung hätte, wenn auch nicht zu einer Gefährung des Betriebs insgesamt, so doch zu einer erheblichen Rufschädigung geführt. Diese Zwangslage habe die Gegenseite ...