Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzugslohnansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis. Unbegründete Leistungs- und Schadensersatzklage bei fehlender Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und unzureichenden Darlegungen zur Geltendmachung einer behinderungsgerechten Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf behinderungsgerechte bzw. leidensgerechte Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine solche Beschäftigung unter Angabe der behinderungsbedingten bzw. krankheitsbedingten Beeinträchtigungen geltend macht. Dies ist nicht der Fall, solange der Arbeitnehmer solche Beeinträchtigungen bestreitet und (vermeintliche) behinderungs- bzw. leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten lediglich deshalb nennt, um die soziale Rechtfertigung einer (Änderungs-)Kündigung zu entkräften. Der Arbeitgeber macht sich daher nicht schadensersatzpflichtig, wenn er in einem solchen Fall dem Arbeitnehmer keinen der von ihm genannten Arbeitsplätze zuweist oder eine entsprechende Vertragsänderung anbietet.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 297, 611, 615; GewO § 106; SGB IX (2001) §§ 2, 68-69, 81, 84; BGB § 611a Abs. 2, § 823 Abs. 2; GewO § 106 S. 1; SGB IX § 2 Abs. 2-3, § 68 Abs. 1, §§ 69, 81 Abs. 4, § 84 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Weiden i.d. OPf. (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 3 Ca 1437/16) |
AG Weiden i.d. OPf. (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 3 Ca 166/17) |
AG Weiden i.d. OPf. (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 1 Ca 167/17) |
AG Weiden i.d. OPf. (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 1 Ca 168/17) |
AG Weiden i.d. OPf. (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 3 Ca 169/17) |
Tenor
1. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 15.09.2017, Az. 3 Ca 1437/16, 3 Ca 166/17, 1 Ca 167/17, 1 Ca 168/17 und 3 Ca 169/17, werden zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im bestehenden Arbeitsverhältnis um Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2016 in Höhe von insgesamt 213.482,12 € in ursprünglich fünf Verfahren.
Das Landesarbeitsgericht hat die Verfahren 2 Sa 409/17 - 412/17 nach Anhörung der Parteien zum vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 08.02.2018 hinzuverbunden. Bereits erstinstanzlich war das Verfahren über die Änderungskündigung vom 30.03.2006 beigezogen worden (Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - Az. 5 Ca 468/06 bzw. LAG Nürnberg - 7 (2) Sa 229/07 bzw. BAG 2 AZR 68/16; künftig "beigezogene Akte").
Der 1961 geborene und ledige Kläger ist seit 03.03.1997 bei der Beklagten als Elektrotechniker beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom gleichen Tag umschließt das Aufgabengebiet u.a. die Softwareerstellung, Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung und Kundenschulung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf Blatt 22 ff der Akten verwiesen.
Der Kläger schloss 1980 bzw. 1982 Ausbildungen zum Elektrogerätemechaniker und zum Energiegeräteelektroniker ab (Blatt 68 der beigezogenen Akte). Anschließend diente er mehrere Jahre als Soldat und wurde dort zum Flugsicherungsradarmechanikermeister ausgebildet. 1992 schloss er die Ausbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker ab (Blatt 71 f der beigezogenen Akte).
Die Beklagte richtet im Geschäftsbereich Automation Robotik für ihre industriellen Kunden unter anderem die Sicherheitstechnik ein. Dort war der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses als sog. SPS-Programmierer beschäftigt. Die Programmierung sorgt dafür, dass Personen- und Sachschäden vermieden werden, etwa durch Notabschaltungen der Roboter in bestimmten Situationen.
Am 23.11.2001 erlitt der Kläger bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall (Wegeunfall) ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Am 15.04.2002 nahm der Kläger im Rahmen einer Wiedereingliederung seine Tätigkeit wieder auf, ab 17.06.2002 vollschichtig. In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass der Kläger in quantitativer Hinsicht erheblich leistungsgemindert war und in qualitativer Hinsicht untypische und in der Vergangenheit vor dem Unfall nicht aufgetretene Programmierfehler machte. So löschte der Kläger im Herbst/Winter 2003/2004 bei der Sicherheitssoftware für eine Lackieranlage eines großen süddeutschen Automobilproduzenten die Funktionalität des "Not-Aus" aus der Software.
Die Beklagte stellte den Kläger daher ab Mai 2004 unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung frei.
Mit Schreiben vom 02.09.2004 (Blatt 42 der beigezogenen Akte) teilte der Betriebsarzt der Beklagten mit, dass mehrere Gutachter einmütig eine Wesensveränderung wie auch eine Leistungseinschränkung bejahen. Im Nachgang dazu teilte der Betriebsarzt mit weiterem Schreiben vom 09.09.2004 (Blatt 43 der beigezogenen Akte) mit, dass im Rahmen einer Testaufgabe der Kläger für die gestellte Aufgabe knapp 140 Stunden für eine Station benötigte, ein unerfahrener Kollege dagegen nur 68 Stunden für 5 Stationen.
Nach dem Bescheid der Berufsgeno...