Entscheidungsstichwort (Thema)
Das Prinzip der Bestenauslese im öffentlichen Dienst nach Art. 33 Abs. 2 GG. Bewerbungsverfahrensanspruch aus einer Verletzung des Prinzips der Bestenauslese. Der Grundsatz von Treu und Glauben als allgemeiner Rechtsgrundsatz. Kein Anspruch auf Einstellung aus einer Inklusionsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach hat jeder Bewerber um ein öffentliches Amt einen Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung.
2. Das Prinzip der Bestenauslese ist dann verletzt, wenn die für den Bewerber nachteilige Auswahlentscheidung unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer fehlerhaften Ausübung von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen beruht (sogenannter Bewerbungsverfahrensanspruch).
3. Der Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung sowohl subjektive Rechte als auch die Inanspruchnahme von Rechtsinstituten und Normen. Die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen müssen zurücktreten, wenn sie zu einem mit § 242 BGB unvereinbaren Ergebnis führen.
4. Aus einer abgeschlossenen Inklusionsvereinbarung ergibt sich kein Anspruch auf Beschäftigung oder Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses. Weder § 155 SGB IX noch § 154 SGB IX geben dem Bewerber einen subjektiven Anspruch auf Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung. Die im Vollzug des § 166 SGB IX mit der Schwerbehindertenvertretung abgeschlossene Inklusionsvereinbarung beinhaltet keinen individuellen Anspruch des Bewerbers auf Weiterbeschäftigung.
Normenkette
GG Art. 33; BayUniKlinG Art. 15 Abs. 3 Nr. 1; BGB § 242; BayUniKlinG Art. 14 Abs. 2 Nr. 1; SGB IX §§ 154-155, 166
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Entscheidung vom 30.09.2022; Aktenzeichen 8 Ca 627/22) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 30.09.2022 - Az. 8 Ca 627/22 - wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die beiden Parteien streiten um den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, die Stelle als "technische Assistenz" am Institut für Pathologie der A-Universität B-Stadt mit dem Kläger zu besetzen.
Der 1968 geborene, schwerbehinderte und ledige Kläger ist derzeit bei dem Beklagten an der A-Universität B-Stadt (nachfolgend Universität) am physikalischen Institut als technischer Assistent in Vollzeit tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag der Parteien vom 09.03.2016/22.03.2016 (Anlage K 4, Bl. 12 f. d.A.). Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet bis zum 30.06.2019. Hierauf vereinbarten die beiden Parteien mit Änderungsvertrag vom 12.06.2016 eine weitere Befristung bis zum 30.06.2023 (Anlage K 1, Bl. 9 d.A.). Der Kläger ist ausgebildeter Biologielaborant und erzielte zuletzt 3.179,25 Euro. Vor Begründung dieses Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger bei der Uniklinik B-Stadt seit dem 19.04.2010 bis 31.03.2016 auf der Grundlage von insgesamt sieben befristeten Verträgen beschäftigt (Anlage K 5, Bl. 14 bis 29 d.A.).
Bei der Beklagten kommt eine Inklusionsvereinbarung vom 01. Juli 2018 zur Anwendung. In dieser ist u.a. unter Ziffer 4 "Verpflichtungen des Arbeitgebers" folgendes geregelt:
(1) Durch geeignete Maßnahmen wird angestrebt, dass wenigstens die gesetzlich vorgeschriebene Zahl²(§ 154 SGB IX) schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung bei der Universität B-Stadt finden kann (§ 166 Abs. 3 SGB IX).
(2) Die Schwerbehindertenvertretung ist in allen Angelegenheiten, die einzelne schwerbehinderte Menschen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören; die getroffene Entscheidung ist ihr unverzüglich mitzuteilen. Die Beteiligungsrechte der Personalvertretung werden hiervon nicht berührt.
(3) Der Arbeitgeber unterrichtet die Schwerbehindertenvertretung und den Personalrat über geplante Umstrukturierungsmaßnahmen oder sonstige Änderungen in einzelnen Arbeitsbereichen, wenn Schwerbehinderte betroffen sind.
(4) Schwerbehinderte Beschäftigte sind bei Entfristungen von Arbeitsverträgen, innerhalb der Organisationseinheit, in der sie beschäftigt sind, bevorzugt zu behandeln.
Verantwortlich: Vorgesetzte und Inklusionsbeauftragte/r
Beteiligt: Schwerbehindertenvertretung und Personalrat im Rahmen der Gesetze
5. Einstellungsgrundsätze
(1) Bei der Einstellung ist zu prüfen, ob freie oder frei werdende Arbeits- und Ausbildungsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Dies gilt auch für befristete Beschäftigungsverhältnisse. Diese Prüfung beinhaltet u.a.
- langfristige ...