Rechtsmittel nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch
Leitsatz (amtlich)
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer verschärften Haftung des Arbeitnehmers wegen alleiniger Beherrschung einer Gefahrenlage sind nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer erst im Begriff ist, eine eingeschränkte Sachherrschaft anzutreten und er eine Tätigkeit, die von vorneherein nur auf einen Bruchteil der täglichen Arbeitszeit ausgelegt ist, in den Räumen des Arbeitgebers und in Anwesenheit anderer auch vorgesetzter Mitarbeiter ausübt.
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 11.04.1995; Aktenzeichen 9 Ca 1202/94 A) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 11.04.1995, Az. 9 Ca 1202/94 A, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der als sogenannter „Geldbearbeiter” bei der Landeszentralbank in A. tätige Kläger wegen Fehlens von Geldnoten für einen Schaden in Höhe von DM 2.000,– einzustehen hat.
Bei der Landeszentralbank werden die von Banken und Geldinstituten eingezahlten Gelder gezählt, sortiert, Falschgelder sowie nicht mehr verwendbare und beschädigte Scheine aussortiert und die Gelder dann wieder an die Banken und Geldinstitute ausgezahlt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BBkAT/MTAmgO Anwendung. Zum Tätigkeitsbereich des Klägers gehört auch das Tätigwerden als Geldbearbeiter.
Angeliefertes Geld wird vom Kasseführer in Empfang genommen, der hierbei nach der Dienstvorschrift DB 32, 0700 eine „überschlägliche” Überprüfung der Einzahlung vorzunehmen hat. Die Anlieferung von Papiergeld erfolgt in Geldpaketen à 10 Päckchen, die jeweils 100 Geldscheine enthalten. Bezüglich der überschläglichen Zählung von Papiergeld bestimmt die zitierte Dienstvorschrift DB 32, 0700:
Unter „Überschlägliche Zählung” ist im Rahmen dieser Bestimmungen die Feststellung des Betrages bei
– Papiergeld
in Paketen und Päckchen nach der Anzahl der Pakete und der Wertaufschrift auf den Streifbändern der nicht gebundenen Päckchen, wobei die Pakete auf die richtige Anzahl der Päckchen zu kontrollieren sind.
Nach dieser Prüfung quittiert der Kasseführer dem Einzahler den Erhalt des Geldes.
Vom Kassier wird das Geld an einen Geldverteiler weitergegeben, der schließlich das Geld zur Bearbeitung an den Geldbearbeiter übergibt. Auch bei den Übergaben vom Kasseführer zum Geldverteiler und vom Geldverteiler zum Geldbearbeiter erfolgt dieselbe „überschlägliche Zählung” nach der Vorschrift DB 32, 0700.
Für den Geldbearbeiter gilt weiter die Dienstvorschrift DB 32, 2000. Diese lautet:
2000 Übernahme des zu bearbeitenden Papiergeldes
Die Geldbearbeiter empfangen das zu bearbeitende Papiergeld vom Geldverteiler bzw. Kasseführer. Der Betrag des erhaltenen Geldes ist sofort überschläglich zu ermitteln. Über den Empfang des Betrages ist im Geldverteilungsbuch bzw. im Kontobuch des Kasseführers mit Unterschrift zu quittieren. Damit übernehmen die Geldbearbeiter die Verantwortung für den erhaltenen Betrag.
Weiter gelten für den Geldbearbeiter die Dienstvorschriften DB 32, 2201 bis 2202.
Die Vorschrift 2201 lautet in Absätzen 1 und 2:
Nach dem Öffnen eines Paketes ist die Stückzahl der Päckchen nochmals festzustellen und zu kontrollieren, ob jedes Streifband die richtige Wertaufschrift sowie Namen oder Firmenbezeichnung des Einlieferers trägt; bei Abweichungen ist dem Geldverteiler bzw. dem Kasseführer sofort Meldung zu machen.
Bei Paketen, die dem ersten Anschein nach von der Bank gefertigt und ungeöffnet wieder eingezahlt worden sind, ist der Kartonbindestreifen so zu öffnen, daß die Verschlußstelle unversehrt bleibt. Während der Bearbeitung des Paketes ist der Bindestreifen gesondert zu halten. Wird ein Fehlbetrag in dem Paket nicht festgestellt, ist er zu zerreißen. Sinngemäß ist bei folienverpackten sowie mit Kunststoffband gebundenen Paketen zu verfahren.
Die Vorschrift 2202 lautet
Sind Streifbänder zerrissen, so ist besondere Vorsicht beim Auseinanderlegen der Päckchen nötig, um ein Vermischen von Scheinen verschiedener Päckchen zu verhindern.
Am 17.12.1993 hatte der Kläger zunächst Tresordienst und war nicht mit Arbeiten in der Geldbearbeitung befaßt. Am Nachmittag erhielt er gegen 14.30 Uhr vom Geldverteiler ein Paket mit Geldnoten von DM 20,–. Er übernahm das übergebene Paket, ermittelte die Anzahl der in ihm enthaltenen Päckchen überschläglich und quittierte den Erhalt eines Paketes mit 10 Päckchen zu je 100 20-DM-Noten. Er begab sich mit diesem Geldpaket an seinen ca. fünf bis sechs Meter entfernten Arbeitsplatz und legte das Geldpaket dort ab. Da er feststellte, daß er für die Stückelung von 20-DM-Scheinen nicht mehr ausreichend Banderolen hatte, verschloß er gegen 14.32 Uhr die Geldzählhaube, die sich an seinem Arbeitsplatz befand und in der nunmehr das Paket lag und holte in einem anschließenden Raum die erforderlichen Streifenbänder. Gegen 14.32 Uhr kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück, öffnete die Zählhaube und begann mit der Bearbeitung des...