Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt jedenfalls dann keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor, wenn erst ein Betriebsratsmitglied dem Betriebsratsvorsitzenden auf dessen Nachfragen Kenntnis von wesentlichen Kündigungstatsachen verschafft, diese Mitteilung aber auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt ist.
2. Trotz des Klageantrags „Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom … nicht aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht” liegt lediglich eine Kündigungsschutzklage und keine Klagehäufung mit einer allgemeinen Feststellungsklage vor, wenn der Kläger keine Ausführungen zu einer allgemeinen Feststellungsklage macht und eine zweite Kündigung erneut mit einer Kündigungsschutzklage angreift.
Dies gilt auch dann, wenn der Tenor des erstinstanzlichen Urteils entsprechend dem Klageantrag formuliert ist, die Entscheidungsgründe aber keine Ausführungen zu einer möglichen Klagehäufung enthalten.
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 12.05.1993; Aktenzeichen 13 Ca 8676/92) |
ArbG Nürnberg (Urteil vom 13.10.1992; Aktenzeichen 9 Ca 4496/92) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten gegen die Endurteile des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.10.1992 – 9 Ca 4496/92 – und vom 12.05.1993 – 13 Ca 8676/92 – werden auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 17.06.1992 gegenüber dem seit 26.03.1990 als Arbeiter beschäftigten Kläger ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung sowie auf Arbeitsentgelt für die Zeit vom 17.06.1992 bis 19.10.1992.
Mit den am 29.06.1992 zum Arbeitsgericht erhobenen Klagen hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 17.06.1992 sowie seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Mit Beschluß vom 13.01.1992 hat das Arbeitsgericht Nürnberg die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit der Klage vom 03.12.1992 hat der Kläger außerdem Zahlung des Lohnes für die Zeit vom 17.06.1992 bis 19.10.1992 in Höhe von DM 11.014,73 brutto abzüglich DM 4.384,40 netto nebst Zinsen und Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von DM 234,– begehrt (Aktenzeichen 13 Ca 8676/92).
Im zweiten Rechtszug haben die Parteien in der Sitzung vom 20.01.1993 vorgetragen, daß die Beklagte am 23.01.1993 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 07.02.1993 ausgesprochen hat, gegen die der Kläger unter dem Aktenzeichen 13 a Ca 243/93 beim Arbeitsgericht Nürnberg Kündigungsschutzklage erhoben hat.
Im ersten Rechtszug hat die Beklagte vorgetragen, die außerordentliche Kündigung vom 17.06.1992 sei wegen des Verhaltens des Klägers am 16.06.1992 und zwar wegen unerlaubten Alkoholgenusses und wegen Verlassens des Arbeitsplatzes ohne Abmeldung ausgesprochen worden; die Betriebsratsmitglieder M. und H. hätten den Kläger beobachtet. Sie (die Beklagte) habe den Betriebsratsvorsitzenden am 17.06.1992 über die beabsichtigte Kündigung informiert, worauf er sich von den Betriebsratskollegen M. und H. den Verlauf des Kündigungsgrundes am Vortag erklären habe lassen, er habe sich mit diesen in Verbindung gesetzt. Der Betriebsratsvorsitzende habe dann noch am selben Tag die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung mitgeteilt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteilen vom 13.10.1992 und 12.05.1993 (13 Ca 8676/92) den Klagen in vollem Umfang stattgegeben. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der Urteile wird verwiesen.
Mit den am 07.05.1993 bzw. 01.07.1993 eingelegten und am 27.05.1993 bzw. 01.07.1993 begründeten Berufungen gegen die ihr am 27.04.1993 bzw. 18.06.1993 zugestellten Urteile verfolgt die Beklagte ihre Klageabweisungsbegehren weiter.
Mit Beschluß vom 16.08.1993 hat das Landesarbeitsgericht die beiden Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Beklagte trägt vor:
Die außerordentliche Kündigung sei gerechtfertigt. Kündigungsgründe im Zeitpunkt der Information des Betriebsratsvorsitzenden seien gewesen: Das Verlassen des Arbeitsplatzes ab ca. 12.00 Uhr am 16.06.1992, das Nichtabmelden bei dem zuständigen Vorgesetzten des Klägers, die Schlechtleistung aufgrund Alkoholgenusses und der Verstoß gegen das bestehende Alkoholverbot. Das Alkoholverbot sei durch Betriebsvereinbarung geregelt. Dem Betriebsrat sei der gesamte Sachverhalt im Hinblick auf die Alkoholisierung des Klägers mitgeteilt worden, insbesondere seien es ja die Betriebsratsmitglieder M. und H. die die alkoholbedingten Ausfälle des Klägers selbst beobachtet hätten. Wegen der Wirksamkeit der Kündigung stünden dem Kläger auch keine Lohnansprüche zu.
Der Streitwert sei im Urteil des Verfahrens 13 Ca 8676/92 unrichtig festgesetzt, da die ursprüngliche Klageforderung erst nachträglich um den Arbeitslosengeldbetrag ermäßigt worden sei.
Die Beklagte beantragt:
- Unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 13.10.1992 wird die Klage abgewiesen.
- Unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 12.05.1993 wird die Klage...