Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsentgelt
Leitsatz (amtlich)
Verweist ein Tarifvertrag auf das „Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall”, fehlt es an einem eigenen Normsetzungswillen der Tarifvertragsparteien. Die Höhe der Entgeltfortzahlung folgt in diesen Fällen aus § 4 Abs. 1 EFZG.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 23.09.1997; Aktenzeichen 3 Ca 1215/97 A) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.09.1997 – 3 Ca 1215/97 A – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % seines Bruttoverdienstes beanspruchen kann.
Der Kläger ist seit 04.01.1972 bei der Beklagten gegen einen Stundenlohn von DM 23,38 brutto bei regelmäßig 37,5 Wochenstunden beschäftigt. Aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit findet auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die Säge- und Holzbearbeitungsindustrie, Holzhandlungen und angeschlossenen Betriebe sowie für die Möbelindustrie, die holzverarbeitende Industrie einschließlich Kunststoffverarbeitung und verwandte Industriezweige in Bayern, gültig ab 01.03.1992/01.04.1992 (im folgenden: MTV), Anwendung.
Der MTV enthält zur Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall u. a. folgende Regelungen:
Ziff. 80
Unabhängig von den hier aufgeführten Regelungen ist der Lohn bzw. das Gehalt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen aufgrund der bestehenden tariflichen Urlaubsregelung, der Feiertagsgesetze, des Jugendarbeitsschutz-, Mutterschutz- und Schwerbehindertengesetzes sowie aufgrund des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung fortzuzahlen; in den Fällen des § 45 SGB V besteht kein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts gegen den Arbeitgeber.
Ziff. 81
Das Arbeitsentgelt gemäß § 2 Ziffer 1 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 3 Lohnabrechnungszeiträumen (12 Wochen) vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erhalten hat. Zwischenzeitliche Tariflohnerhöhungen sind vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an zu berücksichtigen.
Der Kläger war in der Zeit vom 10.10. bis 18.10.1996 an sieben Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 % des dem Kläger ohne Krankheit zustehenden Arbeitsentgelts geleistet. Den Differenzbetrag hat der Kläger mit seiner am 13.02.1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend gemacht. Er ist der Auffassung, daß die Tarifvertragsparteien im MTV von 1992 die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall konstitutiv geregelt hätten, so daß § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG in der ab 01.10.1996 geltenden Fassung zurücktreten müsse.
Der Kläger hat beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 254,85 brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.1996 zu bezahlen.
- Die Berufung wird zugelassen.
Die Beklagte hat beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, daß es sich bei Ziffern 80, 81 des MTV nicht um eine eigenständige Regelung, sondern um eine deklaratorische Verweisung auf die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen handelt. Diese würden dem Kläger aber nur eine 80 %ige Vergütungszahlung garantieren, so daß sein Begehren unbegründet sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 23.09.1997 die Klage abgewiesen und die Berufung dagegen zugelassen. Es hat die Auffassung vertreten, da Ziffer 80 MTV auf die gesetzlichen Bestimmungen verweise, könne ein eigener Rechtssetzungswille der Tarifvertragsparteien nicht angenommen werden. In Ziffer 81 MTV hätten die Tarifpartner lediglich von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, das Lohnausfallprinzip durch ein Referenzprinzip zu ersetzen, Gebrauch gemacht. Der Lohnfortzahlungsanspruch des Klägers sei daher nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG in der Fassung ab 01.10.1996 auf 80 % des während der Krankheitszeit ausgefallenen Lohnes beschränkt.
Mit der am 30.10.1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 11.12.1997 begründeten Berufung – die Berufungsbegründungsfrist war bis 15.12.1997 verlängert worden – verfolgt der Kläger sein Verfahrensziel weiter. Wegen seines Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11.12.1997 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt:
- Auf die Berufung vom 30.10.1997 hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.09.1997, Az.: 3 Ca 1215/97 A, abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 254,85 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.11.1996. zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Beklagte beantragt:
- Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnbe...