Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Vertragsgestaltung, die dem Versicherungsvertreter/der Versicherungsvertreterin keine unternehmerische Freiheit läßt, sondern nur das unternehmerische Risiko aufbürdet, gewinnt in der Gesamtabwägung die Arbeitnehmereigenschaft das Übergewicht, wenn eine berufsbegleitende, durch den anderen Vertragspartner finanziell unterstützte Qualifizierung stattfindet, sich die unternehmerische Freiheit faktisch beschränkt auf die Abarbeitung vorgegebenen Adreßmaterials, der Einsatz von Untervertretern mittelbar durch ein Verbot der Weitergabe überlassener Adressen an Dritte untersagt ist und untersagt ist, ohne vorherige Zustimmung ein anderes Unternehmen der Versicherungsbranche aufzunehmen, versicherungsfremde Leistungen zu vermitteln, werbend für den/die Versicherungsvertreter/in oder sein/ihr Unternehmen am Markt tätig zu werden.
Normenkette
BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 92
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09.09.1996 – Az.: 12 Ca 4696/96 – in Ziffern I und II teilweise abgeändert.
2. Es wird festgestellt, daß der Kläger bei der Beklagten seit 01.05.1995 in einem Arbeitsverhältnis steht.
3. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen unter der Bezeichnung „selbständiger Versicherungsvertreter gemäß §§ 84 Abs. 1, 92 HGB” mit Datum vom 09.05.1995 schriftlich niedergelegte Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist.
Mit Klage vom 24.04.1996 zum Arbeitsgericht Nürnberg begehrte der Kläger Feststellung, daß er bei der Beklagten seit 01.05.1995 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Antragsvermittler im Außendienst in der Organisation der Verbandsgruppenversicherung stehe.
Am 09.09.1996 erließ das Arbeitsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 12 Ca 4696/96 folgendes Endurteil:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf DM 12.000,– festgesetzt.
Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses dem Kläger am 17.07.1997 zugestellten Endurteils wird verwiesen.
Hiergegen legte dieser mit Schriftsatz vom 11.08.1997 Berufung ein. Hinsichtlich der weiteren Formalien der Berufung wird auf die protokollarischen Feststellungen vom 17.12.1997 verwiesen.
Der Kläger und Berufungskläger trägt im wesentlichen vor, das erstinstanzliche Gericht stelle zutreffend fest, daß nach allgemeiner Meinung derjenige Mitarbeiter Arbeitnehmer sei, der seine Dienststellung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringe. Allgemein anerkanntes Abgrenzungskriterium sei der Grad der persönlichen Abhängigkeit; Weiterhin zuzustimmen sei, daß § 84 Abs. 1 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal enthalte. Über den unmittelbaren Abgrenzungsbereich hinaus enthalte diese Bestimmung – auch für den Versicherungsvertreter gemäß § 92 HGB – eine allgemeine gesetzliche Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten sei. In ständiger Rechtsprechung betone das Bundesarbeitsgericht jedoch, daß abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien sich dabei nicht aufstellen ließen, vielmehr hänge es von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Im Hinblick darauf könne es für den Versicherungsvermittler nicht ausschließlich entscheidend sein, ob er seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit im wesentlichen selbst bestimmen könne. Vielmehr gebe es eine jahrzehntelang existierende Rechtsprechung, die als die Anknüpfungspunkte für die Selbständigkeit eines Versicherungsvermittlers seine Weisungsfreiheit, seine Freiheit im Einsatz der Arbeitskraft, das eigene Unternehmen und das eigene Unternehmerrisiko sehe, wobei es nach dem Bundesarbeitsgericht genüge, wenn diese Voraussetzungen im wesentlichen erfüllt seien.
Die urteilende Kammer verkenne, daß eine Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Selbständigen gemäß §§ 84, 92 HGB nicht im Wege des rechtssoziologischen Klassenbegriffs stattfinden könne, sondern vielmehr der soziologische Typusbegriff angewendet werden müsse. Insoweit sei abzustellen auf das Gesamtbild und die Tätigkeit als charakterisierendes Merkmal und nicht, wie im angefochtenen Urteil, ausschließlich auf die Wertungen des § 84 HGB.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien folgende Kriterien Indizien der persönlichen Abhängigkeit gerade beim Versicherungsvermittler:
I. Keine freie zeitliche Gestaltung der Tätigkeit,
II. Fachliche, inhaltsbezogene Weisungsbindung,
III. Eingliederung in die betriebliche Organisation,
IV. Keine Möglichkeit des Einsatzes von Untervertretern,
V. Kein Verbleiben eines unternehmerischen Spielraums.
Zu I.:
Der Kläger erhalte regelmäßig von der Beklagten ...