Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn sich die Holding etwa im Rahmen einer Betriebsvereinbarung verpflichtet, dass die Arbeitnehmer, die in die neugegründeten Gesellschaften überwechseln, keine Nachteile erleiden dürfen.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 15 Abs. 5, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 14.07.1998; Aktenzeichen 9 Ca 7842/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.10.2000; Aktenzeichen 2 AZR 494/99)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 14.07.1998, Aktenzeichen 9 Ca 7842/97, in Ziffern 1 und 2 abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.08.1997 zum 30.09.1997 nicht aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Lager-/Versandarbeiter tatsächlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung und um Weiterbeschäftigung des Klägers bei der Beklagten.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 20.07.1992 als Lager-/Versandarbeiter beschäftigt. Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem GdB von 50 %.

Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers war die U.

Die Beklagte entstand 1994 neben anderen GmbHs im Rahmen einer Ausgründung aus der U. als U.

Anlässlich der Umstrukturierung zur Holding schlossen die U. und deren Betriebsrat unter dem 19.07.1994 folgende Betriebsvereinbarung:

I. Grundsätzliche, Anmerkungen

Die Geschäftsleitung und der Betriebsrat der U. als erklären beiderseits, daß alle Arbeitnehmer, die in die neugegründeten Gesellschaften (U. …) überwechseln, keine arbeitsvertraglichen, betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Nachteile erleiden.

Die beiden Betriebsparteien stellen fest, daß die Ausgründung o.a. Gesellschaften eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellt.

II. Überleitungsvereinbarung

Für alle Arbeitnehmer, die von der U. zu einer der o. g. Gesellschaften überwechseln, werden folgende Regelungen vereinbart:

  1. Die bisher gültigen Einzelarbeitsverträge bleiben in der derzeit bestehenden Form gemäß § 613 a BGB mit allen Rechten und Pflichten erhalten. Ergänzungen erfolgen hinsichtlich der neuen Firmierung.
  2. Die jeweilige Gesellschaft übernimmt die in der U. bestehenden Betriebsvereinbarungen in der zum jetzigen Zeitpunkt bestehenden Fassung, insbesondere folgende Betriebsvereinbarungen:

    1. Betriebsrente
    2. Treueprämie
    3. EDV-Vereinbarung
    4. Arbeitszeitregelung (Arbeitszeitverkürzung)
    5. Gleitzeitregelung
    6. Altersfreizeitregelung
    7. Fahrtkostenregelung
    8. Betriebliches Vorschlagwesen
    9. Telefonanlage
    10. Interessenausgleich/Sozialplan (Montage)
  3. Die jeweilige Gesellschaft verpflichtet sich, auch alle anderen nicht in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen geregelten Rechte und erworbenen Anwartschaften anzuerkennen.

    Dies gilt insbesondere für folgende Bestimmungen:

    1. Prämien bei Jubiläen, Prämien bei Ausscheiden im Rentenalter, Arbeitszeitregelung am Faschingsdienstag
    2. Anerkennung der Betriebszugehörigkeitszeiten in der U.
    3. Teilnahme an der Barverkaufsregelung analog den Beschäftigten der U.

III. Tarifvertragliche Bestimmungen

Die jeweiligen Gesellschaften treten dem Arbeitgeberverband der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern bei und erkennen die jeweiligen Bestimmungen für die Kunststoff verarbeitende Industrie an.

IV. Schlußbestimmungen

  1. Die Firma U. sichert die Erfüllung der vorstehenden Vereinbarungen zu. Sie wird durch entsprechende vertragliche Regelungen sicherstellen, daß die neu gegründeten Gesellschaften alle von ihr zu erfüllenden Pflichten, zusichern. Der Betriebsrat erhält eine Abschrift der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zwischen U. und den Gesellschaften. Soweit die Erfüllung von Ansprüchen aus dieser Vereinbarung nicht rechtswirksam auf die Gesellschaften übertragen worden ist, verpflichtet sich die U., dafür gegenüber den von der Betriebsvereinbarung erfaßten Arbeitnehmern einzutreten.
  2. Geschäftsleitung und Betriebsrat stimmen darüber überein, daß der am 08. März 1994 von der Gesamtbelegschaft gewählte Betriebsrat weiterhin im Rahmen gesetzlicher Vorschriften für alle Aufgaben nach dem BetrVG zuständig bleibt.
  3. Die Parteien stimmen überein, daß mit dieser Betriebsvereinbarung alle betriebsverfassungsrechtlichen Fragen abschließend geregelt sind.

Der Kläger ist Mitglied des 1994 bei der Firma U. gewählten Betriebsrates.

Zum 01.08.1997 wurde die U. in die U. rückintegriert und letztere in U. umbenannt. Zum 15.05.1997 sah sich die Beklagte aus Kostengründen gezwungen, die Abteilung Versand/Lager, in der der Kläger beschäftigt war, zu schließen.

Mit Bescheid vom 22.08.1997 hat die Hauptfürsorgestelle der beabsichtigten Kündigung zuge...

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