Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der Neuregelung des § 1 Abs. 5 KSchG ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung, daß – im Falle des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit erstellter Namensliste der von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer nach § 112 BetrVG – die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG vor Ausspruch konkreter Kündigungen aus der Namensliste entbehrlich wäre. Solches läßt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Vermeidung rechtsförmelnder Betrachtungsweise rechtfertigen.
2. Das Verfahren nach § 112 BetrVG kann allerdings mit dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG verbunden werden, wenn dies ausdrücklich geregelt ist. In diesem Fall müssen weiterhin alle Voraussetzungen des Verfahrens nach § 102 BetrVG erfüllt sein.
3. Die Berufungskammer hat Bedenken, ob eine konkludente Verbindung des Anhörungsverfahrens mit dem Verfahren nach § 112 BetrVG möglich ist. Dies grundsätzlich zu entscheiden, bestand jedoch mangels entsprechenden Parteivortrags kein Anlaß.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 5; BetrVG §§ 102, 112
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 01.10.1997; Aktenzeichen 5 Ca 619/97 A) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 01.10.1997 – Az.: 5 Ca 619/97 A – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung mit dem weiteren Begehr seiner Weiterbeschäftigung.
Er war seit 2.2.01.1990 als Schleifer bzw. Polierer bei der Beklagten gegen eine Bruttomonatsvergütung von DM 4.200,– (so der Kläger) Oder DM 3.963,– (so die Beklagte) beschäftigt.
Am 24.03.1997 unterzeichnete die Geschäftsführung der Beklagten und der Betriebsrat bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan (in Kopie der Akte beigegeben auf Blatt 14 mit 19), wobei diesem Interessenausgleich und Sozialplan eine Liste „Übersicht zur Maßnahmenliste” mit Datum vom 19.03.1997 beigegeben war, in der insgesamt 78 Arbeitnehmer namentlich mit Kostenstelle, Eintritt, Geburtsdatum und Familienstand aufgeführt sind (Bl. 30 mit 31 d.A.). Ob diese (nicht von beiden Betriebspartnern unterschriebene) Liste mit dem Interessenausgleich fest (z. B. durch Heftung) verbunden war, ist zwischen den Parteien streitig.
Das Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Aschaffenburg – hat am 01.10.1997 unter dem Aktenzeichen 5 Ca 619/97 A folgendes Endurteil erlassen:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25.03.1997 nicht aufgelöst ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen,
- Der Streitwert wird auf DM 15.852,– festgesetzt.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für rechtsunwirksam erachtet, da der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG nicht bzw. nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Im weiteren wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses der Beklagten am 04.11.1997 zugestellten Endurteils verwiesen.
Hiergegen legte diese mit Schriftsatz vom 11.11.1997 Berufung ein. Hinsichtlich der weiteren Formalien der Berufung wird auf die protokollarischen Feststellungen vom 28.10.1998 verwiesen.
Die Beklagte trägt in ihrer Berufungsbegründung vom 11.11.1997 – auf welche hinsichtlich weiterer Einzelheiten verwiesen wird – im wesentlichen vor, die Auffassung des Arbeitsgerichts sei nach Auffassung der Beklagten nicht haltbar.
Obwohl der Betriebsratsvorsitzende der Beklagten ausdrücklich bestätigt habe, daß nach seiner Auffassung eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsratsgremiums in allen vergleichbaren Kündigungsfällen erfolgt sei und diese Aussage des Betriebsratsvorsitzenden als Beweisthema in den vorliegenden Prozeß eingeführt worden sei, habe das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung ohne jegliche Beweiserhebung die Auffassung des Betriebsratsvorsitzenden als irrelevant betrachtet.
Die Behauptung des Arbeitsgerichts, wonach der Betriebsrat „jedenfalls über die Gründe, die die Beklagte zur Auswahl gerade des zu kündigenden Mitarbeiters veranlaßt habe, nicht informiert wurde”, könne ohne entsprechende Nachprüfung beim Betriebsrat nicht hingenommen werden. Im Berufungsverfahren werde hier nochmals ausdrücklich unter Beweisantrag gestellt, daß zwischen den ersten Gesprächen im Februar 1997 und dem endgültigen Interessenausgleich am 24.03.1997 wiederholt mündlich zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat über die mit Maßnahmen betroffenen Arbeitnehmer verhandelt worden sei. Vor der Unterschrift unter dem Interessenausgleich am 24.03.1997 habe der Betriebsrat die eingehende Möglichkeit gehabt, sich in seiner Sitzung über die Gründe und soziale Auswahl der konkret zu kündigenden Arbeitnehmer eingehend zu informieren.
Das Arbeitsgericht behandle die Verhandlungen und Verhandlungsergebnisse lediglich al...