Entscheidungsstichwort (Thema)

Transparenzgebot und Bestimmtheitsgebot in arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln. Keine Inhaltskontrolle bei Tarifverträgen und durch Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträgen. Europarechtskonformität tariflicher Ausschlussfristen. Anforderungen an eine wirksame Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen. Kein erweiterter Schutz aus dem Mindestlohngesetz bei Erfüllung des Mindestlohns

 

Leitsatz (amtlich)

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt einer einzelvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussfrist. Diese ist im Falle einer Globalverweisung keiner Inhaltskontrolle zu unterziehen. Die Anwendung des § 3 S. 1 MiLoG zur Absicherung einer Abgeltung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohnes ist rechtlich nicht geboten.

 

Normenkette

BurlG § 7; BGB §§ 307, 310; MiLoG § 3; RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 29.11.2018; Aktenzeichen 10 Ca 2689/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.10.2020; Aktenzeichen 9 AZR 531/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.11.2018, Az.: 10 Ca 2689/18, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war vom 24.01.1991 bis zum 31.12.2017 bei der Beklagten, bzw. ihren Rechtsvorgängern auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24.01.1991 (Anlage B1) bei einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.014,17 EUR beschäftigt.

In Ziffer 5 dieses Arbeitsvertrages ist folgende Regelung enthalten:

"Für das Beschäftigungsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen und der jeweils gültige Tarifvertrag, abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall f.d. BRD, Bezirksleitung München, und dem Verband der Bayerischen Metallindustrie, München 2, in der jeweils gültigen Fassung."

Im Betrieb der Beklagten gilt ein Haustarifvertrag (zuletzt vom 23.06.2015), der den Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 23.06.2008 (künftig: MTV) in Bezug nimmt.

Gemäß § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b) MTV (Anlage B 4) sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Absatz (II) ist eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Abs. (I) festgesetzten Frist ausgeschlossen, es sei denn, dass die Einhaltung dieser Frist wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht möglich gewesen ist.

Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 20.09.2017 zum 31.12.2017 gekündigt. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Nürnberg, Az.12 Ca 5415/17.

Am 28.02.2018 schlossen die Parteien in diesem Verfahren einen Vergleich (Bl. 15 d.A), in dem sie sich auf die Vertragsbeendigung durch die Kündigung vom 20.09.2017 zum 31.12.2017 einigten. Der bis zum 07.03.2018 widerrufbare Vergleich ist nicht widerrufen worden.

Mit Schreiben vom 10.04.2018 (Bl. 19 d.A.) machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmalig Abgeltungsansprüche für noch offenen Resturlaub von 19 Tagen aus dem Jahr 2017 bei der Beklagten geltend.

Mit seiner Klage vom 18.05.2018, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tage und der Beklagten zugestellt am 24.05.2018, begehrt der Kläger Urlaubsabgeltung für 19 Tage.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Sachvortrags im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 29.11.2018 die Klage abgewiesen.

Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, der Anspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG auf Abgeltung von noch 19 Tagen Urlaub aus 2017 sei aufgrund der tarifliche Ausschlussfrist verfallen.

Die für den Lauf einer Ausschlussfrist maßgebliche Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs trete im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist ein. Ein vom Arbeitnehmer eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin verständigen, hätten auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs und dessen Fälligkeit keinen Einfluss (BAG 17.10.2017 - 9 AZR 80/17).

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei zum 31.12.2017 fällig geworden und hätte gem. § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b) MTV bis 31.03.2018 schriftlich geltend gemacht werden müssen.

Der Kläger habe seinen Anspruch unstreitig erst mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 10.04.2018 schriftlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei der Anspruch bereits wegen der tariflichen Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit verfallen gewesen.

In der Erhebung der Bestandsschutzklage liege nicht die schriftliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Sinne der Verfallklausel (so BAG, a.a.O.).

Der Unterwerfung des - insowei...

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